Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
Vom Netzwerk:
Journalist hatte sich oft im Ausland
aufgehalten und von dort seine Zigaretten mitgebracht.
    Lüder fiel wieder ein, dass er ein paar Augenblicke
zuvor überlegt hatte, ob der Mörder eventuell Korse sein könnte. Dann hätten
sich Opfer und Täter gekannt. Man müsste in Havensteins beruflicher
Vergangenheit graben. Schließlich gab es auch eine korsische
Separatistengruppe, die vor Gewalttaten nicht zurückschreckte.
    »Hallo, Herr Dr. Lüders«, meldete sich ein Mitarbeiter
der Abteilung. »Ich habe jetzt die Daten der Frau, um die Sie gebeten hatten.«
    »Das ging aber schnell«, lobte Lüder den Kollegen. Er
spürte durchs Telefon, dass sich der Mann über die Anerkennung freute. Oft
waren es die kleinen Dinge, die die Mitarbeiter motivierten. Diese Fähigkeit,
die Kriminaldirektor Nathusius perfekt beherrschte, fehlte dem neuen
Abteilungsleiter Dr. Starke völlig.
    »Es handelt sich um Hannah Eisenberg. Die Frau ist
einundvierzig Jahre alt und hat einen israelischen Pass.«
    »Donnerwetter«, entfuhr es Lüder.
    »Bitte?«, fragte der Mitarbeiter.
    »Das war ein Selbstgespräch«, wiegelte Lüder ab. Damit
hatte er nicht gerechnet.
    »Wenn ich die übereinstimmenden Angaben der Bank und
des Autoverleihers, übrigens – eine Langfristmiete«, warf der Beamte ein,
»vergleiche, dann ist Hannah Eisenberg seit vier Monaten in Deutschland.«
    »Haben Sie noch etwas in Erfahrung bringen können?«
    »Sie ist – angeblich – Journalistin.«
    »Was heißt angeblich?«
    »Nun – ja. Das hat sie als Beruf angegeben.
Verifiziert ist das nicht.«
    »Sie meinen, wenn sie behauptet hätte,
Schornsteinfeger zu sein, würde das auch in den Unterlagen stehen?«
    »Genau. Ich habe unterstellt, dass Sie auch die
deutsche Adresse haben möchten.«
    Lüder erfuhr, dass Hannah Eisenberg für die Zeit ihres
Aufenthalts in Deutschland ein Ferienappartement in Oldenburg angemietet hatte.
    »Haben Sie eine Telefon- oder Handynummer?«, fragte
Lüder.
    Der Mitarbeiter klang enttäuscht. »Das wäre für die
Kürze der Zeit zu viel des Guten.«
    Lüder stimmte ihm zu und dankte ihm für die gute
Arbeit.
    Eine Journalistin. Und sie wohnte in Oldenburg. Das
erklärte Havensteins Besuche in Ostholstein. Die waren möglicherweise privater
Natur. Der Journalist könnte die Israelin in Rahmen seiner zahlreichen
beruflichen Auslandsaufenthalte kennengelernt haben. Aber warum wohnte Hannah
Eisenberg dann nicht in Eckernförde, sondern fast einhundert Kilometer entfernt
in einer Kleinstadt, die zwar gemütlich, aber völlig unspektakulär war?
    Noch eine Frage geisterte Lüder durch den Kopf, auf
die er keine Antwort fand: Welche Verbindung könnte es zwischen einer israelischen
Journalistin und dem Atomkraftwerk Krümmel geben? Die Antwort würde Lüder nicht
am Schreibtisch finden. Er beschloss, zunächst nach Oldenburg zu fahren.
    Lüder hatte die Fahrt durch die sanfte Hügellandschaft
schon am Vortag genossen, auch wenn die beginnende Dämmerung nur einen Teil der
herbstlichen Pracht freigegeben hatte. Heute, bei Tageslicht, bot ihm das bunte
Farbfeuerwerk einen Blick, der ihn vorübergehend den Fall vergessen ließ.
    Er passierte die Kreuzung mit der Tankstelle, an der
man ihm am Vortag bereitwillig Auskunft erteilt hatte. Die Straße führte am
Bahnhof vorbei. Man schien hier über Humor zu verfügen, denn das einzige Gleis
war großzügig mit »Gleis 2« ausgeschildert. Es gab nicht einmal ein
Ausweichgleis.
    In einer scharfen Kurve knickte die Straße nach links
ab und führte am Bahndamm entlang. Zur Entlastung der engen Ortsdurchfahrt
hatte man offenbar diesen Weg irgendwann neu gebaut, der an der Rückseite der
Wohnbebauung entlang- und zu den Parkplätzen der Supermärkte hinführte, die
sich hier angesiedelt hatten. An einer Kreuzung, von der es ins Zentrum
abzweigte, entstand ein kleiner Stau.
    Am Finanzamt, das nicht nur in seiner Funktion,
sondern auch mit dem kräftigen Anstrich in Ochsenblutrot abschreckend wirkte,
bog Lüder ab, überquerte die eingleisige Hauptstrecke zwischen Hamburg und
Kopenhagen, über deren Elektrifizierung sich niemand ernstlich Gedanken machte,
und fuhr in ein gewachsenes Wohngebiet mit Einfamilienhausbebauung. Sein GPS führte ihn in die hinterste Ecke.
    Der Eichenweg, in dem das Wohnhaus lag, wo sich Hannah
Eisenberg vorübergehend einquartiert hatte, war eine ruhige Sackgasse. Am Ende
der Straße öffnete sich der Eichenweg zu einem kleinen Platz, in dessen Mitte
sich Parkmöglichkeiten boten.

Weitere Kostenlose Bücher