Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
Vom Netzwerk:
Geesthacht vorbei zur A 250, die bei Lüneburg in eine
Schnellstraße überging. Am Kreisverkehr hinter der Ausfahrt bog Lüder ab.
    Wer glaubte, ganz Norddeutschland wäre flach wie der
Busen eines Supermodells, irrte. Die Straße führte einen sich endlos
hinziehenden Berg in die Stadt hinab. Auf halbem Weg erstreckte sich zur
Rechten eine große Kasernenanlage. Das GPS forderte Lüder auf, links in die »Zielstraße« abzubiegen. Dem stand das
Einbahnstraßenschild entgegen.
    Lüder umrundete den Block und bog von der anderen
Seite in die Georg-Böhm-Straße ein. Auf dem großen Areal des Kindergartens an
der Ecke herrschte heute Ruhe. An Wochentagen mochten sich dort Heerscharen
unbekümmert spielender Kinder tummeln. Was würden Eltern, deren Nachwuchs an
Leukämie erkrankt waren, bei einem solchen Anblick denken?, durchfuhr es Lüder.
Er ließ den BMW langsam die Straße
entlangrollen und suchte eine Parklücke auf der linken Seite, da rechts
Halteverbot bestand.
    Unweit des Hauses, in dem Dr. Ahwaz-Asmari wohnte,
fand er einen freien Platz. Das Straßenbild wurde von älteren rot geklinkerten
Mehrfamilienhäusern bestimmt. In einem fand er den Namen des Physikers am
Klingelbrett. Trotz mehrmaligen Drückens rührte sich nichts. Lüder versuchte es
beim Nachbarn, hatte aber auch dort keinen Erfolg. Er hatte damit gerechnet, an
einem Sonnabendvormittag nicht unbedingt jemanden anzutreffen. Doch sein Kommen
hatte er nicht im Vorhinein telefonisch ankündigen wollen.
    Langsam schlenderte er zum Auto zurück und überlegte,
ob es sinnvoll wäre, ins Stadtzentrum zu fahren, eine Kleinigkeit zu essen, um
anschließend noch einmal bei Dr. Ahwaz-Asmari vorbeizufahren. Lüder ließ seinen
Blick über die Fassade des Häuserblocks gleiten. Dabei bemerkte er im
Erdgeschoss des Nachbarhauses, wie sich eine Gardine bewegte, hinter der sich
jemand verborgen hielt.
    Lüder vermutete, dass der Name »Blasewitz« zu der
Wohnung gehörte, aus der er beobachtet worden war. Sein Klingeln blieb
unerhört. Erst als Lüder erneut den Daumen auf den Knopf setzte und ihn
gedrückt hielt, ertönte der Türsummer.
    »Ja, ja, was soll denn das«, vernahm er die Stimme
eines älteren Mannes. »Unverschämtheit!« Die Wohnungstür war einen Spalt
geöffnet, hinter dem ein halbes Männergesicht zu sehen war.
    »Guten Tag. Polizei.« Lüder hielt seinen Dienstausweis
vor den Türspalt. »Ich habe eine Routinefrage.«
    »Wir haben nichts mit der Polizei zu tun. Oder ist das
nur ein Trick?«, erwiderte der Mann mit scharfer Stimme.
    »Es geht um eine reine Routineangelegenheit.«
    »Das sagen die im Fernsehen auch immer«, sagte der
Mann.
    »Würden Sie die Tür bitte öffnen«, bat Lüder mit
Nachdruck.
    Der Mann schloss die Tür. Lüder hörte, wie die
Sperrkette abgenommen wurde, dann wurde wieder geöffnet. Vor ihm stand ein
älterer Mann mit straff nach hinten gekämmten Haaren und deutlichen
Aussparungen an den Geheimratsecken. Das runde Gesicht war ein wenig
aufgeschwemmt, am Doppelkinn sprossen ein paar Barthaare, die auf eine
oberflächliche Rasur hindeuteten. Der Mann hatte die beiden Daumen hinter
seinen Hosenträgern verhakt. Dadurch wurde der Hosenbund, der sich über den
Bauch wölbte, ein wenig entlastet und gab einen Blick auf die wollene Unterhose
frei.
    »Sie sind Herr Blasewitz?«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte der Mann erstaunt.
    »Steht an der Klingel«, erklärte Lüder.
    »Kommen Sie man rein«, forderte ihn der ältere Mann
auf und führte ihn ins Wohnzimmer, das mit dunklen Holzmöbeln vollgestellt war.
Nicht nur die Einrichtung stammte aus einer vergangenen Epoche, auch der
Fernseher war antiquiert. »Grundig«, las Lüder den Markennamen an der
Frontseite.
    »Setzen Sie sich«, forderte Blasewitz Lüder auf und
griff sich die Brille, die auf der aufgeschlagenen Fernsehzeitung lag. »Worum
geht’s denn?«
    »Im Nebenhaus wohnt Dr. Ahwaz-Asmari. Kennen Sie den
Mann?«
    »Sie meinen den Araber? Was wollen Sie denn von dem?«
Der Mann hatte Dr. Ahwaz-Asmari als Araber bezeichnet. Lüder unterließ es, ihn
zu korrigieren.
    »Ich habe das dumpfe Gefühl, dass mich meine Frau mit
ihm betrügt«, sagte Lüder schnell und fühlte sich ein wenig unbehaglich, weil
er in Dov Eisenbergs Rolle geschlüpft war.
    »Ich denke, Sie sind von der Polizei.« Blasewitz
schien ein wenig enttäuscht zu sein. Er hatte sich offensichtlich
Spektakuläreres vorgestellt. »Dürfen die Araber denn so was? Ich mein

Weitere Kostenlose Bücher