Sturmtief
wiederholte technische
Panne gewesen sei oder militante Atomkraftgegner ein Attentat auf das Kraftwerk
verübt hätten. Jedenfalls forderte der Verfasser am Ende des Artikels sofortige
politische Konsequenzen aus diesem Fall. Da die Zeitung nur bedingt politisch
war, konnte nicht einmal der Oppositionsführer in dem von ihm gewohnten Gebell
seine Forderung nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten verkünden.
Leif Stefan Dittert war mit seiner Schlagzeile durch
dieses Ereignis in den Innenteil verbannt. Dafür troff aber das Blut aus dem
Artikel. LSD berichtete über den
Mord an Hannah Eisenberg. Niemand wusste bisher, ob die Frau nicht nur
Israelin, sondern auch Jüdin war. Dittert schien das einfach zu unterstellen. Er
fragte, ob der faschistische Mob in Deutschland wieder ungestraft sein Unwesen
treiben durfte und die Menschenjagd auf Juden eröffnet sei. Geschickt
suggerierte Dittert, dass es bei diesem Mord einen antisemitischen Hintergrund
gäbe.
Das war natürlich völlig aus der Luft gegriffen. Die
Ermordung stand in Zusammenhang mit dem Tod Robert Havensteins. Die Frau musste
etwas gewusst haben. Oder der Täter hatte es zumindest geglaubt. Hier war keine
Menschenjagd eröffnet worden, sondern es gab eine Verfolgung von Journalisten,
die etwas entdeckt hatten. Richtige Journalisten, dachte Lüder voller
Bitternis, die für ihre Arbeit hatten sterben müssen.
Obwohl Lüder die Zeitung und ihren mageren Inhalt
aufmerksam studierte, fand er nirgendwo einen Hinweis auf den Tipp, den er
Dittert gegeben hatte. LSD hatte
mit keiner Zeile Lüders Andeutung, die russische Gasmafia würde hinter dem
Attentat auf das Atomkraftwerk stecken, aufgegriffen.
* * *
Der erste Streifenwagen der Polizeizentralstation
Oldenburg war schnell am Tatort gewesen. Hauptkommissar Hans-Jürgen Steinkamp,
der Leiter der Kriminalpolizeiaußenstelle, hatte nur wenig mehr Zeit benötigt.
Nachdem die Beamten einen Sichtschutz errichtet hatten und ein herbeigerufener
Arzt den Tod als gesichert festgestellt hatte, warteten die Beamten auf das
Eintreffen des zuständigen K1 der Lübecker Bezirkskriminalinspektion. Steinkamp
und seine Mitarbeiter nutzten die Zeit zur ersten Befragung. Steffen Groß gab
seine Eindrücke von der Entdeckung des Toten vor seiner Buchhandlung zu
Protokoll. Die Beamten schwärmten aus, um Zeugen zu finden, untersuchten die
Umgebung des Tatorts nach Spuren, sahen in die Seitengassen und in die
benachbarte Einkaufspassage.
Als die Spurensicherung und das K1 aus Lübeck
eintrafen, konnten die Oldenburger Polizisten noch keine weiterführenden
Hinweise geben.
»Haben Sie Geschosshülsen gefunden?«, fragte
Hauptkommissar Dirk Lohmeyer, der Leiter des K1.
Steinkamp schüttelte den Kopf. »Wir haben alles
akribisch abgesucht. Leider vergeblich. Wir haben auch nur eine Zeugin
ermitteln können. Bisher. Die Frau arbeitet bei einem Bäcker, etwas weiter die
Straße hinauf. Sie ist vor zwei Stunden hier vorbeigekommen und hat die Gestalt
dort sitzen sehen. Die Frau hat gedacht, es würde sich um einen Betrunkenen handeln,
der dort seinen Rausch ausschläft. Sie war ängstlich und deshalb froh, als sie
an dieser Stelle vorbei war.«
»Da müssen doch noch mehr Leute vorbeigekommen sein«,
knurrte Lohmeyer und fuhr sich über seinen Bart.
»Vielleicht haben die Ähnliches wie die Bäckereiverkäuferin
gedacht«, gab Steinkamp zu bedenken. »Das war auch der erste Eindruck des
Buchhändlers. Ich meine, dass hier jemand seinen Rausch ausgeschlafen hat.«
»Um so etwas kümmert sich der Bürger nicht«, stimmte
Lohmeyer zu. »Die Leute neigen dazu, einen großen Bogen darum zu machen. Bloß
keinen Ärger einfangen.« Dann wandte er sich an einen Kollegen von der
Spurensicherung, der die Taschen des Opfers untersucht hatte. »Und?«
Der junge Beamte im weißen Schutzanzug schüttelte den
Kopf. »Nix. Alles leer. Kein Ausweis, kein Portemonnaie, keine
Zigarettenschachtel, kein Feuerzeug. Es sieht fast so aus, als wäre das Opfer
ausgeplündert worden. Dagegen spricht allerdings dies hier.« Er schob die Ärmel
des Toten ein wenig hoch und zeigte auf eine Armbanduhr. »Wenn das kein Plagiat
ist, dann hat der Täter es entweder übersehen oder …« Er brach mitten im Satz
ab.
»Was für ein Fabrikat?«, fragte Lohmeyer nach.
»Tag Heuer«, sagte der Spurensicherer. »Die gehören zu
den teuren Exemplaren.«
Hauptkommissar Lohmeyer betrachtete den Toten. Der
Mann war salopp, aber ausgewählt mit Markengarderobe
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