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Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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bekleidet. Mit Sicherheit
war er kein Obdachloser. Auch sein Äußeres machte einen gepflegten Eindruck –
die Haare, das Gesicht, die Fingernägel.
    Ein weiterer Beamter überspielte ein paar Fotos, die
er vom Opfer gemacht hatte, auf Lohmeyers Organizer.
    »Wer mag das sein?«, brummte der Hauptkommissar. »Es
sieht so aus, als wären Fund- und Tatort nicht identisch. Wer unterzieht sich
der Mühe, das Opfer hierherzutransportieren und so zu drapieren? Selbst wenn
die Stadt nachts schläft, bleibt ein Restrisiko des Entdecktwerdens. Eigentlich
ist es naheliegend, dass ein Täter bemüht ist, das Opfer verschwinden zu
lassen. In diesem Fall wurde der Tote nahezu inszeniert hinterlegt. Und warum
ausgerechnet hier, vor der Buchhandlung?«
    Hauptkommissar Steinkamp konnte diese Fragen selbst
nicht beantworten.
    * * *
    »Moin, Herr Lüders«, drang eine fröhliche Stimme aus
dem Lautsprecher. »Haben Sie schon gefrühstückt?«
    »Moin, Herr Diether«, begrüßte Lüder den Oberarzt am
Institut für Rechtsmedizin der Christian-Albrechts-Universität. »Wenn Sie mich
so fragen, haben Sie ein Obduktionsergebnis für mich.«
    »Stimmt. Wollen Sie es vorweg von mir hören? Oder soll
ich Ihnen die Einzelteile der Obduktion zur persönlichen Begutachtung durch
einen Fahrradkurier zustellen lassen?«
    Lüder kannte den schwarzen Humor, der den Pathologen
auszeichnete. »Wenn Sie einen Boten finden, der garantiert Vegetarier ist,
nehme ich auch die einzelnen ›Beweisstücke‹. Es wäre sonst von Übel, wenn auf
dem Weg von Ihnen zu mir etwas unwiderruflich verschwinden würde.«
    »Schön. Dafür dürfen Sie mir aber auch einmal einen
Dienst erweisen. Ständig nehmen Sie meine Leistungen als Leichenfledderer in
Anspruch. Nun möchte ich Sie als Kriminalisten fordern.«
    »Bitte«, sagte Lüder gedehnt, weil er sich nicht
vorstellen konnte, in welchem Punkt er dem Rechtsmediziner helfen könnte.
    »Es geht um das altbekannte Phänomen, dass in der
Waschmaschine ständig eine von zwei passenden Socken verschwindet. Gibt es
dafür eine kriminalistische Erklärung?«
    »Sie haben Glück«, lachte Lüder. »Wir haben gestern
den kleinen grünen Sockenbeißer verhaftet, der sich in Waschmaschinen
eingenistet hat. Nun dürfen Sie mir auch die Geheimnisse verraten, die Sie
Robert Havenstein und Hannah Eisenberg entlockt haben.«
    Der Rechtsmediziner trug Lüder in kompakter Form die
Obduktionsergebnisse vor. Er bestätigte, dass beide Opfer mit der gleichen
Munition und somit vermutlich auch mit derselben Waffe getötet wurden. Dr. Diether
schilderte im Detail die Schwere der Verletzungen, die die angefeilten
Geschosse verursacht hatten, und wie diese zum Tod führten. Lüder hörte nur
widerwillig zu, da der Arzt alles sehr gründlich und präzise beschrieb.
    »Es waren regelrechte Hinrichtungen«, schloss Dr.
Diether seinen Bericht. »Der Mörder wusste, wie man einen Menschen gezielt
tötet. Gäbe es nicht den Eid des Hippokrates, könnte man vermuten, der Täter
hätte Medizin studiert.«
    »In Ihrer Branche gibt es sicher auch Massenmörder.
Die firmieren nur anders«, warf Lüder ein.
    Dr. Diether lachte bitter auf. »Nennen Sie mir einen
Fall, wo sich ein Patient über einen Behandlungsfehler von mir beschwert hat.«
    »Da stimme ich Ihnen zu. Wer beklagt sich schon über
den Pathologen, von dem er seziert wurde?«
    »Ich habe aber noch zwei interessante Dinge«, fuhr der
Rechtsmediziner fort. »Hannah Eisenberg hat schon einmal entbunden.«
    Lüder erinnerte sich an das Bild aus der
Ferienwohnung, das die Journalistin mit einem etwa zehnjährigen Jungen gezeigt
hatte. »Wann war das etwa?«
    »Das gibt es nur im Fernsehkrimi«, erwiderte Dr.
Diether. »Da erklärt der allwissende Pathologe, dass das Opfer schon einmal
niedergekommen ist. Gleichzeitig weiß er auch, wann und wo das geschehen ist,
ob es ein Junge oder ein Mädchen war und ob das Kind heute lieber Pommes oder
Spaghetti isst.«
    »Mir würde reichen, wenn Sie mir die Haarfarbe des
Kindes nennen könnten«, stichelte Lüder.
    »Kann ich«, antwortete der Arzt. Und als Lüder
schwieg, ergänzte er: »Bringen Sie mir den Vater. Den würde ich dann fragen.«
    »Ich bin enttäuscht von Ihnen«, setzte Lüder das
Lästern fort.
    Dr. Diether lachte herzlich auf. »Wenn Sie mir so
kommen, verrate ich Ihnen auch nicht, dass Hannah Eisenberg wieder schwanger
war. Im vierten Monat.«
    »Und den Zeitpunkt können Sie so exakt bestimmen, weil
Sie bei der Empfängnis

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