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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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tausend Seemeilen entfernt, lag seine Heimat. Noch vor wenigen Monaten hätte er sich nicht träumen lassen, sie jemals zu verlassen. Doch jetzt war er hier, an Bord eines Piratenschiffes, mit noch mehr Blut an den Händen und einem ungewissen Schicksal vor sich.
    Der junge Hiscadi hörte Schritte hinter sich, und er wusste, dass es Rahel war, ohne sich umsehen zu müssen.
    »Beeindruckend«, flüsterte sie und stellte sich neben ihn. Er nickte und guckte zu ihr hinüber, doch sie sah ihn nicht an. Der Sonnenaufgang tauchte ihr Antlitz in ein helles Rot. Er wandte sein Gesicht ebenfalls wieder dem Naturschauspiel zu.
    »Ich weiß es bereits«, erklärte Jaquento ruhig.
    »Gut«, erwiderte sie. Halb befürchtete der junge Hiscadi, dass sie fragen würde, woher er sein Wissen hatte, doch sie schwieg.
    »Mir wäre es lieber, du würdest etwas sagen.«
    »Du gehst auf die Wyrdem , oder wie immer Pertiz das Schiff auch taufen wird.«
    »Und du?«
    »Ich bleibe an Bord der Todsünde .«
    »Ist das so einfach?«
    Jetzt blickte sie ihn an und zog wütend die Augenbrauen zusammen. Schatten fielen auf ihr Gesicht, und in ihren Augen entdeckte Jaquento keine Zuneigung mehr.
    »Einfach? Hättest du den Dingen ihren Lauf gelassen, wäre es so, Jaq. Jetzt hingegen ist alles kompliziert.«
    »Ich fürchte Quibon nicht«, erwiderte er hitzig. Ein brennendes Gefühl lief durch seine Adern und brachte sein Blut in Wallung. Er trug keine Schuld an der Situation, doch ihre Vorwürfe trafen ihn tief.
    »Das ist eines deiner Probleme, du verdammter Bastard! Wenn ihr auf demselben Schiff bleibt, dann wird Blut fließen!«
    »Warum sollte dein teurer Käpt’n zulassen, dass Quibon wieder auf mich losgeht?«
    Das brachte sie zum Schweigen. Ihre Augen verengten sich, und ihre Lippen wurden schmal. In die Farben der Sonne getaucht, mit offenem Haar und voller Zorn wirkte sie wie eine Daemonin der Legenden aus den alten Zeiten der Nigromantenkaiser.
    »Weil es eine Sache zwischen Quibon und dir ist, verflucht noch einmal. Freie Männer und Frauen, schon vergessen?«
    »Und deshalb soll ich auf die Wyrdem gehen?«
    »Du sollst auf die Wyrdem , weil du mit deinen Spielchen ja verhindert hast, dass Quibon dort sein wird. Es gab einen guten Grund, warum ich ihn vorgeschlagen habe …«
    »Die ganze Wahl war abgekartet«, sagte Jaquento. »Du hast das mit Deguay ausgeheckt!«
    »Ja. Er hat es vorgeschlagen, und es erschien mir wie ein guter Weg, euch zu trennen. Quibon bekommt das Schiff und hat Zeit, sein Mütchen zu kühlen. Du bleibst hier und wirst Teil der Mannschaft.«
    »Freie Männer und Frauen, dass ich nicht lache«, spottete Jaquento.
    »Es war ein guter Vorschlag, und es wäre gut ausgegangen«, widersprach Rahel. »Aber du musstest ja unbedingt den Anwalt der Gerechtigkeit spielen. Sind eigentlich alle Hiscadi so verbohrt, oder bist nur du das?«
    »Manche sollen recht vernünftig sein, habe ich mir sagen lassen«, erwiderte Jaquento kühl. Sein Zorn klang ab, doch er war nicht gewillt, ihr nachzugeben.
    Sie fluchte leise und wandte sich wieder ab.
    »Was ist mit uns? Was ist, wenn ich mich weigere?«
    »Wir sind auf zwei Schiffen, Jaq. Es gibt kein uns . Und wenn du dich weigerst, dann setzen wir dich hier auf der verdammten Insel aus. Man gehorcht dem Käpt’n, den man gewählt hat, oder man bleibt zurück.«
    Er nickte bloß, und obgleich er es nicht wollte, sah sie wohl die Herablassung in seinem Blick, denn sie antwortete nicht, sondern drehte sich um und ging davon. Plötzlich doch müde, schloss Jaquento die Augen und ließ den Kopf hängen.
    »Und nimm dieses Drecksvieh mit«, rief Rahel noch, bevor sie laut fluchend unter Deck verschwand.
    »Das Vieh heißt Sinosh«, erwiderte Jaquento leise und blickte hinab auf die Echse, deren nun goldgrüner Leib im Sonnenlicht schimmerte. Unvermittelt schlug sie die Augen auf, deren Goldton den jungen Hiscadi immer wieder faszinierte.
    »Sinosh«, wiederholte er und strich mit den Fingerkuppen vorsichtig über den Rücken der Echse, die sich ihm wohlig entgegenreckte.
    Mit einem Mal verschwand seine Wut, und er konnte nicht sagen, ob er auf Rahel oder auf sich selbst wütend gewesen war.
    Mit aller Kraft legte Jaquento sich in die Riemen, wollte sich nur auf das Rudern konzentrieren, doch seine Blicke wanderten stets zurück zur Todsünde . An der Reling standen zahlreiche Seeleute, riefen ihnen Anfeuerungen zu oder verhöhnten sie; allein Rahel konnte der junge Hiscadi nicht entdecken.

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