Sturmwelten 01
Pertiz an, der ihm mit einem Becher Wein in der Hand zuprostete.
»Genug Zeit?«, wollte der junge Hiscadi wissen. »Ist es nicht vielmehr so, dass wir zu wenig haben?«
»Möglich«, gestand der Kapitän. »Aber daran können wir nichts ändern. Du kannst Rénand nicht helfen, du kannst nichts tun, also lass es dir ruhig gut gehen.«
Lächelnd wies Pertiz quer durch den Raum des leicht schäbigen Bordells zu den jungen Frauen und Männern, die auf einigen zerschlissenen Samtsesseln saßen und in leichter Bekleidung ihre Dienste und Leiber feilboten. Doch Jaquento winkte ab.
»Nein.«
»Keine junge Frau für dich, mein Freund? Die Blonde dort drüben sieht verheißungsvoll aus, findest du nicht? Oder willst du vielleicht lieber einen jungen Mann?«
»Mir steht nicht der Sinn nach derlei Vergnügungen.«
Jetzt lachte der Kapitän laut auf, was die Echse aus ihrem Halbschlaf auf Jaquentos Schulter weckte. Sinosh sah sich um, gähnte herzhaft und ließ den Kopf wieder sinken. Auch ihm schien der Sinn nicht nach der Zerstreuung zu stehen, die hier geboten wurde.
»Derlei Vergnügungen, Jaq? Dir steht der Sinn nicht nach einem hübschen Stück Hintern?«
»Derzeit nicht«, erwiderte Jaquento mit verkniffenem Mund.
Pertiz schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich unglaublich! Einerseits hast du dich schnell in unsere kleine Bande von Halsabschneidern eingefügt, und dein Auftreten in den schäbigeren Ecken Lessans zeigt, dass du nicht ganz unerfahren darin bist, mit Gesocks wie uns umzugehen.«
Jaquento wollte protestieren, doch Pertiz fuhr ungerührt fort: »Andererseits redest du manchmal noch immer wie ein Schnösel aus Cabany. Derlei Vergnügungen! Und das in einem Puff auf Brebant!«
»Schön, dass ich dir gutes Amüsement biete, während du dir selbst übrigens auch keine Gunst mit Silber kaufst, Käpt’n.« Bei der Einheit! Schon die Kurtisanen meiner Heimat haben mich nur selten interessiert; und dort wurden wahrlich raffiniertere Spiele gespielt als diese hier, dachte der junge Hiscadi. Die Vorstellung, eine der Huren auf einem Bett zu nehmen, das genauso heruntergekommen war wie der Rest des Bordells, fand er alles andere als anregend.
Der Kapitän der Windreiter begann zu lachen. »Nicht so mürrisch, Freund. Ich wollte dir lediglich ein wenig Zerstreuung anbieten. Ich hingegen muss mich bereithalten, falls Rénand doch noch jemanden auftreibt, der uns auf unserer noblen Queste begleiten will. Aber falls du mich vertreten willst, werde ich meine Aufmerksamkeit nur zu gern der Blonden widmen.«
Seit ihrer Ankunft im brackigen Hafen von Brebant am gestrigen Tage versuchte Deguay, Seeleute anzuheuern. Bislang war die Ausbeute bescheiden, und das war noch freundlich formuliert. Schon bei der Einfahrt hatte Pertiz gestöhnt, denn im Hafen lagen lediglich einige heruntergekommene Fischerboote vor Anker. Verwunderlich war das nicht; das Städtchen lag am äußersten Rand der Aufmerksamkeitssphäre der Thayns, weitab der wichtigen Routen, und verfügte über keine nennenswerten Ressourcen.
Einst hatten die Schildkrötenfänger hier Station gemacht, doch seit es besser gelegene Häfen in der Sturmwelt gab, war Brebant in eine Art Winterschlaf gesunken, der nun schon Jahrzehnte anhielt. Die alten Kontore verfielen, und in den Häusern am Hafen hausten vor allem Möwen. Zwar hatte Rénand mit seinen Reden eine Handvoll lokaler Draufgänger für ihre Sache begeistern können – die vor allem die Aussicht lockte, von Brebant fortzukommen, wie Jaquento vermutete -, doch bislang war ihr Ausflug der sprichwörtliche Schlag ins Wasser gewesen. Nur für die Mannschaften ihrer Schiffe war das Nichtstun bisher kein Problem, denn sie nutzten das schale Angebot an Vergnügungen, das der Hafen zu bieten hatte.
»Gibt mein Verhalten Anlass zur Besorgnis?«, erkundigte sich Jaquento, während er die Huren und Stricher beäugte, die hoffnungsvoll zurückblickten. Das blonde Mädchen, von dem Pertiz gesprochen hatte, legte den Arm um eine dunkelhäutige Freundin und gab dem Hiscadi durch Gesten zu verstehen, dass er sie beide gemeinsam haben konnte.
»Wieso?«
»Weil du mich einen Schnösel schimpfst.«
»Ach, nimm es dir nicht zu Herzen. Aber manchmal, selbst jetzt noch, nach all der Zeit an Bord, wirkst du … Ich weiß nicht, Jaq. Anders. Irgendwann musst du mir mehr von dir erzählen, mein Freund. Ich will wissen, was dich antreibt.«
»Irgendwann werde ich das«, versprach Jaquento, doch mit seinen Gedanken war
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