Sturmwelten 01
die Tür, die unter seinem Ansturm erzitterte. Wieder schleuderte Bara seinen Körper wie eine Waffe gegen das Holz, und diesmal knackte es. Noch ein Sprung, und das Schloss wurde aus der Verankerung gerissen.
»Leise. Keine Schreie.«
Wieder ging Sinao vor, doch diesmal hätten sie den Weg auch allein gefunden. Von dem kleinen Raum aus führte eine Treppe hinab und eine weitere nach oben. Sie schlichen die Stufen empor, die überraschend kühl waren. Jetzt wurden die Schüsse wieder lauter, und über ihnen stand der Himmel in einem hellen Viereck: ein Ausgang auf den Turm, unbewacht.
Mit zwei Gesten bedeutete Majagua Sinao zu warten, was sie mit energischem Kopfschütteln beantwortete. Hilfe suchend sah der junge Paranao Bara an, der jedoch mit den Achseln zuckte.
Einmal atmete Majagua tief durch, dann rannte er los. Das helle Licht blendete ihn nach dem dunklen Aufstieg, doch er konnte die Schemen seiner Feinde an der Brüstung erkennen. Die Paranao strömten hinter ihm durch die Öffnung, Majagua derweil hatte nur Augen für Tangye. Er lief auf den verhassten Aufseher zu, der von den Geräuschen aufgeschreckt herumfuhr. »Was zum Henker…« Der Aufseher brachte den Satz nicht zu Ende. Eine Pistole in seiner Hand bellte auf, und Majagua spürte einen Stich in seiner Seite, doch er verschwendete keinen Gedanken daran. Der Aufseher entrollte seine Peitsche. Der Hieb kam schnell, so schnell, wie eine Schlange auf ihr Opfer niederstößt, aber Majagua war kein Sklave mehr. Der brennende Striemen auf seiner Haut trieb ihn voran, statt ihn einzuschüchtern, beflügelte ihn schier. Tangyes Gesicht schien vor ihm zu schweben; seine Miene zeigte eine Mischung aus Unglauben, Angst und blankem Hass. Majagua hob die Waffe und stieß zu.
Der Dolch bohrte sich in Tangyes Brust, und Majagua drückte mit aller Kraft. Der Aufseher ging in die Knie, aufgespießt wie ein Schwein, das auf dem Feuer gebraten werden soll. Mit einem Schrei warf sich Majagua nach vorn und schleuderte Tangye zurück. Ohne einen Laut kippte der einst so gefürchtete Mann leblos über die Kante der Mauer und stürzte hinab. Ein Blick in den Hof genügte, um zu erkennen, dass er tot war. Mit verdrehten Gliedmaßen und einer fürchterlichen Wunde mitten in der Brust lag Tangye zu Füßen der Paranao, die er so gequält hatte, im Staub. Mögen deine Ahnen dich für das bestrafen, was du uns angetan hast. Mögest du keinen Schatten finden und kein Wasser und für immer durstig im Zwischenreich umherirren.
Erschöpft blickte Majagua sich um. Noch leisteten einige Soldaten Widerstand, aber Bara führte die Krieger gegen sie, deren Waffen von ihrer Wut gelenkt wurden. Es war ein kurzes, blutiges Gemetzel, dann hatten sie den Turm erobert. Nur ein Mann, ein Aufseher, wich schließlich noch vor den Paranao zurück, eine kleine Pistole in der Hand. Angst stand in seinen Augen, er stank geradezu nach Panik. Plötzlich packte er einen der seltsam dicken Eimer und hob ihn hoch.
»Zurück!«, brüllte er, doch viele der Krieger verstanden ihn nicht. Er presste die Mündung der Waffe in den Eimer. »Zurück!«
Einer der Paranao sprang mit einem höhnischen Lachen vor, wollte den Aufseher packen. Der stolperte zurück. Der Schuss löste sich. Ein gewaltiger Schlag traf Majagua, warf ihn herum und stieß ihn zu Boden. In seinen Ohren klingelte es, und für einige Augenblicke verstand er nicht, was Sinao sagte, obwohl sich ihre Lippen bewegten. Dann kehrte das Leben in seine Ohren zurück.
»… hinunter. Die Schiffe kommen! Sie kommen, um uns zu holen!«
Sie deutete hinab in die Bucht, und tatsächlich waren jetzt mehr Schiffe dort. Zwei weitere fuhren herbei. Wie durch eine Schicht Baumwolle hindurch hörte Majagua das Donnern der Kanonen. Rauch stieg von den Schiffen auf, Feuer blitzte aus ihren Seiten. Er wusste nicht, wie sie kämpften, doch er vertraute dem Fremden, mit dem er gesprochen hatte, dass er und seine Krieger ihren Teil der Abmachung einhalten würden. Eines der neuen Schiffe allerdings blieb insgesamt weit draußen, als fürchtete es, in das Gefecht verwickelt zu werden. Majagua fragte sich, ob es dafür einen Grund gab.
Er wollte tief durchatmen, doch sein Leib schmerzte nun bei jeder Bewegung. Blut lief über seine Haut, und er konnte nicht sagen, ob es sein eigenes oder das seiner Feinde war.
»Du bist verletzt«, erkannte Sinao. »Lass mich dir helfen.« Besorgnis klang in ihrer Stimme mit, aber Majagua winkte ab.
»Nein. Du hast recht, wir
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