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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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zu den Masten hinauf. Das Schiff würde so beschädigt nur schwer zu manövrieren sein. Selbst wenn sie bald freikämen, würde es noch ein harter Kampf werden. Die beiden Korvetten hätten eigentlich nur ein kleines Hindernis darstellen dürfen, doch nun waren sie eine lebensgefährliche Bedrohung geworden. Die Jagdgeschütze dröhnten auf, und ihr Rauch nahm Roxane die Sicht auf die Boote. Es behagte ihr nicht, an Bord bleiben zu müssen, während sich ihr Schicksal dort draußen entschied. Sie spürte, dass sie auch in den Booten sein sollte.
    Eine Explosion auf dem Turm des Forts zog ihren Blick auf sich. Dunkler Rauch stieg auf. Kein Kanonenschuss, vielmehr eine offene Explosion. Vielleicht haben sie einen Ladefehler begangen und eine Pulverkartusche in einen zu heißen Lauf gestopft; oder sie haben den Pfropfen zwischen glühender Kugel und Pulver vergessen. Was auch immer, das wird uns etwas Ruhe verschaffen.
    Unwillkürlich musste sie grinsen. Die Handelscompagnie mochte Männer und Frauen anheuern und in Uniformen stecken, aber sie verspürte keine Achtung für diese sogenannten Soldaten. In der Königlichen Flotte versammelten sich alle, die mit Mut und Patriotismus für ihr Land kämpften. Für die Compagnie blieb nur der Rest – Abenteurer, Glücksritter und unehrenhaft Entlassene.
    Hinter ihr donnerte die Breitseite der zweiten Korvette, und der Kugelhagel ließ ihr Grinsen verschwinden. Das kleinere Schiff hatte sich eingeschossen, und die Einschläge ließen die Mantikor regelrecht erbeben.
    »Thay, Thay!« Tola kam den Niedergang hinaufgestürmt. Das Gesicht des Mädchens war mit Ruß verschmiert, und ihre Uniform sah aus, als habe man sie darin über einem offenen Feuer gebraten.
    »Der Leutnant … ist verletzt.«
    »Leutnant Hugham?«
    Der Fähnrich nickte. Der Schrecken der Schlacht stand ihr ins Gesicht geschrieben. Roxane wusste, was sie empfinden musste. Sie selbst war kaum älter gewesen, als sie zum ersten Mal erlebt hatte, wie um sie herum Männer und Frauen von Geschossen zerfetzt wurden. Die Bilder würde sie nie vergessen, doch schlimmer noch waren die Schreie gewesen, die sie anschließend wochenlang in ihren Träumen verfolgt hatten.
    »Holen Sie die Ärztin«, befahl sie und lief los, ohne auf eine Bestätigung zu warten. Auf der Treppe kam ihr Groferton entgegen, der schweißgebadet die Stufen emportaumelte.
    »Maestre? Ist alles in Ordnung?«
    »Nein«, fauchte er wild. »Nichts ist in Ordnung. Meine Anstrengungen fruchten nichts! Es ist, als würde ich in einen See pissen und hoffen, dass das Wasser steigt!«
    Seine ungewohnt ungehobelte Ausdrucksweise überraschte sie, aber dies war kaum der Moment für Maßregelungen.
    »Geben Sie Ihr Bestes, Thay.«
    »Das tue ich ja!«
    Er wankte weiter wie ein Betrunkener. Gern hätte Roxane seinen Rat eingeholt, erfahren, ob er ihnen irgendeine Hilfe anbieten konnte, doch sie lief zum Heck, in die Trümmer der Kapitänskajüte. Kugeln hatten Löcher in die Planken geschlagen. Der Boden war übersät mit Bruchstücken. Und voller Blut.
    Aella saß in aufrechter Haltung an der Wand. Ihre Miene war schmerzverzerrt, die Augen geschlossen. Zwei Matrosen knieten neben ihr, wichen aber zurück, als sie Roxane bemerkten. Die Uniform des Leutnants war blutverschmiert. Auf dem dunklen Stoff der Jacke war es kaum zu sehen, doch die weißen Hosen und das Hemd waren über und über voll mit Blut.
    »Leutnant?«, hauchte Roxane entsetzt. Die linke Seite von Aellas Leib war mit Holzsplittern gespickt, ein gewaltiger Dorn steckte in der Schulter, und der Arm lag in einem unnatürlichen Winkel verdreht. Aella stöhnte nur zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor; ein animalischer Laut, der unerträgliche Schmerzen und Angst in sich vereinte.
    »Es war ein Volltreffer«, erklärte ein Matrose stockend. »Grad stand sie noch da, und dann …«
    »Wir müssen sie nach unten schaffen«, erwiderte Roxane, doch sie wusste nicht einmal, wie und wo sie Aella anfassen sollte. Zum Glück drängte sich in diesem Moment Tabard mit Fähnrich Levman und zwei Helfern im Gefolge an ihr vorbei. Die Ärztin blieb stehen und fluchte ausgiebig. Dann wies sie ihre beiden Gehilfen an, den Leutnant in das Lazarett zu tragen. Die beiden hatten weniger Bedenken als Roxane und packten Leutnant Hugham einfach an Füßen und Schultern, was Aella aufbrüllen ließ. Doch sie ignorierten die grausamen Schreie und liefen mit ihr das Deck entlang. Jetzt bin ich die einzige verbliebene

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