Sturmwelten 01
Offizierin an Bord. Mir fällt das Kommando zu.
»Deckung!«
Reflexartig ließ sich die junge Offizierin fallen. Kanonen bellten in der Entfernung auf, und einen Herzschlag später war die Luft erfüllt von dem Geräusch berstenden Holzes. Splitter regneten auf Roxane nieder. Ohne darauf zu achten, rappelte sie sich wieder auf, als die unmittelbare Gefahr vorbei war.
»Fähnrich Levman, Sie haben das Kommando über die Heckgeschütze. Lassen Sie feuern, bis die Rohre glühen, wenn es recht ist.«
Das junge Mädchen salutierte. Roxane sah den Stolz in ihren Augen, fast noch mehr Stolz als Furcht. Sie alle hatten Aellas Wunden gesehen. Die Geschütze würden das primäre Ziel der Korvette sein, und die Mannschaften waren dementsprechend gefährdet. Doch sie waren auch das Einzige, was den Feind davon abhielt, die Distanz zu verringern und das Heck auf Pistolenreichweite zu beharken. Wenn das geschieht, kann ich unsere Flagge gleich einholen.
Die Verantwortung für das Schiff lastete nun ganz allein auf Roxanes Schultern. Unter Deck war sie nutzlos, also kehrte sie auf das Achterdeck zurück, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Die Festung hatte das Feuer eingestellt. Was immer auch die Explosion ausgelöst hatte, es war ein Segen für die Mantikor . Hinter der Korvette und der Schwarzbrunn-Fregatte sah Roxane die Masten der Todsünde aufragen. Vermutlich wurde dort ebenfalls gekämpft, doch die junge Offizierin konnte in den Pulverschwaden nichts erkennen. Die beiden Boote mit den Ankern lagen etwas querab, und die Besatzungen bemühten sich, die Anker über Bord zu bekommen. Die Taue lagen schlaff im Wasser, doch für Roxane wirkten sie wie Brücken in die Freiheit.
Gleichzeitig näherte sich Cearl mit seinen Booten noch immer der Korvette. Sie waren bereits nah dran. Vielleicht schaffen sie es ja doch, dachte Roxane mit kaum gewagter Hoffnung, aber dann feuerte der Feind, und Wasserfontänen spritzen um die Boote herum auf. Mit einem lauten Schlag wurde eines der Dingis von einem Treffer zerfetzt; Menschen flogen durch die Luft, Trümmer schossen in die Höhe, und Roxane schloss für einen Moment die Augen.
Doch das andere Boot erreichte die Seite der Korvette. Musketenfeuer ertönte, und ein Schlachtruf wehte zu ihr herüber: » Mantikor !«
Sie konnte nicht sagen, ob es Cearls Stimme war, doch sie hoffte es inbrünstig. So konzentriert war sie auf das Geschehen voraus, dass sie fast nicht bemerkt hätte, wie die Windreiter Kurs auf die Bucht nahm.
Aus dem Augenwinkel sah sie eine Bewegung. Ihr erster Impuls was es, die Geschütze zu bemannen, weil sie einen Angriff fürchtete, doch dann erkannte sie, dass der Zweimaster die Korvette ansteuerte. Sie war verwirrt, als sie Rauch von den Jagdgeschützen der Windreiter aufsteigen sah, da hörte sie die beiden Schüsse auch. Die Korvette reagierte behäbig, doch sie versuchte beizudrehen, um der Windreiter Breitseite gegen Breitseite zu begegnen.
Aber die junge Offizierin hatte keine Zeit, dem Spektakel zuzuschauen oder darüber nachzudenken, warum das Schiff nun doch in das Gefecht eingriff. Eine Signalrakete stieg von einem der Boote auf und explodierte in einem roten Feuerregen. Die Anker lagen auf Grund.
Sofort lief Roxane unter Deck.
»Jetzt gilt es. Legt euch in das Gangspill, Mantikore! Hievt die alte Dame wieder ins Wasser! Fertig? Und los!«
Alle noch verbliebenen Seeleute begannen, das Spill zu drehen. Noch ging die Arbeit leicht, denn bislang holten sie lediglich das Ankertau ein. Doch dann stockte ihre Bewegung. Die Anker hatten den Grund gefunden und gruben sich ein. Jetzt versuchte die Mannschaft, die ganzen mehr als achthundert Tonnen der Mantikor über die Sandbank zu schleppen. In ihren Gesichtern konnte Roxane die Anstrengung sehen, als sie mit aller Kraft gegen die Spillspaken drückten. Stück für Stück bewegten sie sich, quälend langsam. Zu langsam, wie Roxane erkannte. Die Muskelkraft der Besatzung war nicht genug, um die Fregatte wieder flottzumachen. Es roch nach Schweiß, nach Anstrengung und nach Verzweiflung. Einer begann zu singen, wenig mehr als rhythmisches Keuchen, andere fielen ein, warfen sich im einfachen Takt des Shantys in das Spill. Wieder ruckte die Mantikor leicht. Doch es war nicht genug.
Die Heckgeschütze donnerten, und das Schiff ruckte noch ein Stück, nur um dann wieder festzusitzen. Gerade als Roxane aufgeben wollte, kam ihr eine Idee.
»Die Anführer der Geschützmannschaften zu mir! Der Rest soll
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