Sturmwelten 01
gleich zu Bihrâd. Lass erst einmal die vor, die es übler erwischt hat.«
Stumm nickte sie und machte sich daran, die Gefangenen zu einem Pulk zusammenzutreiben. Einige bewaffnete Piraten kamen ihr zu Hilfe, und schon bald hatten sie alle géronaischen Seeleute auf dem Achterdeck versammelt.
»Was ist mit den Sklaven?«, erkundigte sich Jaquento.
Anstelle von Rahel antwortete ihm Deguay, der sich zu ihnen gesellte: »Wir lassen sie aus dem Loch da unten, und dann sehen wir weiter.«
»Das ist ein schönes Schiff, Käpt’n«, warf Pertiz ein, der einen Verband um das Bein trug. »Wenn man diese Holzwand hier rausreißt, einige Schotten entfernt, die Decks verstärkt und Luken in die Bordwand schlägt, hat man einen ordentlichen Zweimaster.«
»Der Großmast könnte noch ein wenig geneigt werden«, erwiderte Deguay mit einem Blick auf die zerschossene Rahe. »Aber sie ist schnell. Und es passen genug ehrbare Seeleute darauf.«
»Unter den Sklaven lassen sich bestimmt einige Freiwillige finden.«
Zweifelnd ließ der Kapitän seinen Blick umherwandern. Dann nickte er.
»Aye. Man bräuchte einige Kanonen, um die Wyrdem zu bestücken, aber das ließe sich sicherlich machen. Und falls sie nicht hält, was ihr Anblick verspricht, können wir sie immer noch als Prise verschachern.«
Gebannt folgte Jaquento dem Gespräch. Die Wyrdem war kleiner als die Todsünde , doch ebenso schnittig gebaut. Mit den besprochenen Veränderungen würde sie ein noch schnellerer Segler werden, der gut zu bewaffnen war. Erst die Schmerzen in seiner Schulter zogen seine Gedanken zurück zu ihm selbst. Langsam bückte er sich und wischte die Klinge seines Degens am Hemd eines Gefallenen sauber, bevor er die Waffe in die Scheide schob.
»Du bist ein mutiger Mann, Freund Jaquento. Sich so auf eine Gruppe von Feinden zu stürzen erfordert einige Kaltblütigkeit.«
Die Stimme des Kapitäns war leise, und er lächelte, doch in seinen Augen sah Jaquento den Ernst, der der Situation entsprach.
»Sie oder wir«, antwortete er tonlos. Das Fieber der Jagd war verflogen, und der Tod der géronaischen Seeleute hatte die Leere in ihm nicht gefüllt. »Wenn man seine Waffe zieht, sollte man bereit sein, sie auch einzusetzen.«
»Natürlich. Zudem haben wir uns nichts vorzuwerfen; immerhin werden wir die Sklaven befreien, was sogar rechtmäßig ist: Die Thayns haben Sklaverei verboten und gestatten es, Sklavenschiffe aufzubringen.«
»Was geschieht mit den Sklaven?«
»Wir werden ihnen anbieten, sie auf einer Insel abzusetzen. Auf unserem Weg liegen genügend große Eilande. Wer aber will, kann an Bord bleiben. Ich neige dazu, Pertiz recht zu geben: die Wyrdem lässt sich umrüsten und wird ein schmuckes Schiff werden. Also müssten wir, um sie zu halten, die Mannschaft ohnehin aufstocken.«
»Werden die Freigelassenen nicht lange brauchen, um wirkliche Seeleute zu werden, Capitane?«
»Ach«, erwiderte Deguay und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie müssen lernen zu kämpfen. Alles andere können sie sich abschauen. Viel Arbeit an Bord besteht schließlich einfach darin, an Tauen zu ziehen, das begreift man ziemlich schnell. Du würdest staunen, wie rasch man aus einer Landratte eine Wasserratte machen kann.«
Das Grinsen des Kapitäns wurde breiter, und er blickte Jaquento herausfordernd an. Die Echse zischte leise, und der junge Mann legte ihr beruhigend die Hand auf den Rücken.
»Ich hoffe, dass es so einfach ist, Capitane«, erwiderte er ernsthaft.
»Wenn man es will, ist alles einfach«, erklärte Deguay rätselhaft. Dann nickte er in Richtung Jaquentos Schulter. »Lasst das von unserem schweigsamen, aber nichtsdestotrotz gelehrten Arzt versorgen, Freund Jaquento. Es tut keine Not, dass Ihr Wundbrand riskiert.«
Dem jungen Hiscadi entging nicht, dass der Kapitän ihm nun wieder die Ehre erwies, ihn höflich anzusprechen.
Jaquento blickte dem Mann nach, der sich zu Rahel gesellte und mit ihr über die Übernahme des Schiffes sprach.
Den Kopf voller Fragen über die Absichten Deguays, kletterte Jaquento zurück auf die Todsünde , um sich in Bihrâds Obhut zu begeben.
FRANIGO
Anders als die Géronaee, wissen wir Hiscadi auch in der Fremde das Leben zu genießen , dachte Franigo, während er einen Schluck des köstlichen Roten trank, von dem er ein Viertel geordert hatte.
Natürlich galt géronaische Lebenskunst in allen Ecken und Enden der Welt als exquisit, aber Franigo konnte darüber nur lachen. Von den Géronay wurde
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