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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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kamen viele an die Schanz gelaufen.
    Obwohl die riesige Schildkröte schneller schwamm, als das Schiff segelte, wirkte sie ruhig, geradezu besonnen auf Roxane. Ihr Kopf war von einem dunklen Grün, und ihre Augen waren gewaltige, schwarze Seen. Sie schien der jungen Offizierin direkt in die Seele zu schauen. Der Panzer allein mochte dreißig Fuß Durchmesser haben. Wie groß das Tier insgesamt war, konnte Roxane lediglich raten, da es sich nur undeutlich unter der Wasseroberfläche abzeichnete. Schuppen, so groß wie Kanonenkugeln, bedeckten den Kopf und den kurzen Hals, und hin und wieder tauchte eine der mächtigen Flossen aus dem Wasser auf. Das Meer brach sich an dem braungrünen Panzer, der stromlinienförmig wie ein Schiffsrumpf war.
    »Das ist ein kleines Exemplar«, erklärte Frewelling. »So weit im Osten sieht man sie selten. Es heißt, dass sie wärmere Gewässer bevorzugen.«
    »Das is”ne kleene?«, rief eine Matrosin und rieb sich verdutzt die Stirn. »Wie groß is’ dann’ne große?«
    »Angeblich hören sie niemals auf zu wachsen, und sie sind unsterblich. Es soll welche geben, die ganze Inseln auf dem Rücken tragen. Die größte, die ich jemals gesehen habe, maß hundertfünfzig Schritt vom Kopf bis zum Schwanz!«
    »Ich hab eine gesehen, die war doppelt so lang«, erwiderte ein Seemann, aber Frewelling reagierte nicht darauf.
    »Das Fleisch ist sehr schmackhaft. Haben Sie es schon einmal gekostet, Thay?«
    »Nur gepökelt, Leutnant. Wir hatten einige Fässer auf der Königin Leofwyn .«
    »Als Pökelfleisch ist es akzeptabel, aber wirklich gut wird es nur, wenn man es frisch kocht. Wenn wir in Lessan einlaufen, werde ich sehen, ob ich für uns einen Vorrat kaufen kann. Sie werden sehen, Leutnant, es schmeckt vorzüglich.«
    »Mit Meerrettich?«, fragte Roxane grinsend.
    »Damit auch. Warum … Die Ratten!«, erkannte Frewelling und schüttelte belustigt den Kopf. »Das werden Sie nicht vergessen, nicht wahr?«
    »Nein, Thay.«
    »Und das von einer Frau, die gebutterte Mäuse gegessen hat!«
    »Ich habe niemals …«, wollte Roxane protestieren, da lenkte ein Ruf ihre Aufmerksamkeit zurück zu der Riesenschildkröte, die für kurze Zeit ihren Weg geteilt hatte. Überraschend schnell verschwand das Tier unter der Wasseroberfläche. Ein letztes Mal brachen sich Wellen am Panzer, tauchte eine der hinteren Flossen auf, dann war sie nur noch ein dunkler Schatten und schließlich nicht einmal mehr das.
    »Genug des Gaffens«, dröhnte es von achtern, und alle Gesichter wandten sich dem Kapitän zu. »Zurück an die Arbeit!«
    Die Mannschaft verteilte sich wieder über das Schiff, während Roxane und Frewelling langsam zum Achteraufbau gingen. Kurz bevor sie hinaufsteigen konnte, sprintete Fähnrich Levman an ihnen vorbei, kletterte wie ein Äffchen empor und rannte zur Schiffsglocke. Hell ertönten die Glockenschläge, ein wenig hastig zwar, aber noch gut zu erkennen – Zehn Uhr, zählte Roxane in Gedanken mit. Tola hatte sich in den letzten Tagen als gelehrige und eifrige Schülerin erwiesen, die ihre Pflichten ernst nahm. Umso überraschter war Roxane, als Harfell unvermittelt lospolterte: »Was soll das, Fähnrich?«
    »Thay?«
    »Sie waren zu spät, junge Dame. Die Sanduhr war bereits durchgelaufen!«
    »Thay, ich … ich war ausgetreten, und dann war da die Schildkröte, Thay.«
    Besorgt trat Roxane näher, Frewelling indes blieb zurück. Sie sah, wie Harfell sich vorbeugte: »Sie wollen Anarchie verbreiten, was? Ungehorsam, meine Autorität untergraben!«
    Die Stimme des Kapitäns war gefährlich leise, in seinem Gesicht zeigte sich ungezügelte Wut.
    »Nicht mit mir, Fähnrich, nicht mit mir! Leutnant!«
    »Thay«, erwiderte Roxane und nahm Haltung an.
    »Holen Sie den Maat! Fähnrich Levman muss bestraft werden!«
    »Aye, aye, Thay.«
    Steif drehte die junge Offizierin sich um. Sie spürte Tolas Blicke in ihrem Rücken, das Hilfe suchende Flehen, doch sie schritt steif davon. In Frewellings Gesicht arbeitete es, doch auch der Erste Leutnant schwieg.
    Schnell hatte Roxane den Maat gefunden und kehrte mit ihm zurück. Die einzige Bestrafung, zu welcher der Maat geholt werden musste, war die Knute. Aus ihrer eigenen Zeit als Fähnrich erinnerte sich Roxane gut an die Schläge auf das bloße Gesäß, die brennenden Schmerzen, die Angst und die Scham. Aber wenn es stimmte, dass Tola die Zeit zu spät geschlagen hatte, dann waren ein halbes Dutzend Hiebe eine sicherlich harte, aber durchaus noch

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