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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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angemessene Strafe, obwohl Roxane gewiss eine andere Strafe gewählt hätte.
    »Kommen Sie mit«, befahl der Kapitän knapp und schritt hinab. Anders als bei der Bestrafung eines Matrosen, würde hierzu nicht die ganze Besatzung zusammengerufen werden. Ein kleiner Trost, denn die Kunde würde sich auf dem Schiff innerhalb von Minuten verbreiten. Schon jetzt sah Roxane die Gesichter der Mannschaft auf sich gerichtet, also hielt sie ihre Miene unbewegt und den Kopf erhoben, während sie mit dem Kapitän, dem Maat und Tola unter Deck ging. Mit einem Wink bedeutete Harfell der Wache vor seiner Kajüte, ihnen zu folgen.
    Im dämmrigen Licht des Geschützdecks konnte die junge Offizierin die schreckensgeweiteten Augen Tolas sehen, doch sie schwieg weiterhin. Der Kapitän führte sie nach achtern, bis er vor einem der sicher vertäuten Achtzehnpfündern stehen blieb.
    »Entkleiden und über das Geschütz beugen.«
    Seine Stimme troff vor Bösartigkeit, aber Tola gehorchte seinem Befehl mit kreideweißem Gesicht.
    »Leutnant, halten Sie sie fest.«
    Roxane ging auf ein Knie hinab und packte die Handgelenke des Mädchens, das ein Schluchzen kaum unterdrücken konnte.
    »Zwei Dutzend Hiebe!«
    Sofort sprang Roxane auf.
    »Thay! Ist das angemessen?«
    Erstaunlich behände sprang Harfell vor und fixierte die junge Offizierin. Sein Atem streifte ihre Wange, seine Augen waren Löcher direkt in die Hölle.
    »Sie wagen es? Stecken Sie mit der Missetäterin unter einer Decke? Glauben Sie nicht, dass Ihre Vergehen vergessen sind!«
    Die Worte schossen so schnell aus seinem Mund, dass Roxane Mühe hatte, ihnen zu folgen. Wie betäubt schüttelte sie langsam den Kopf. »Nein, Thay, ich dachte nur …«
    »Schweigen Sie! Denken Sie, ich weiß nicht, was auf meinem Schiff vorgeht? Das Getuschel, die heimlichen Treffen, Ihre Kamarilla von Verschwörern!«
    »Thay, ich versichere Ihnen, ich habe keine Ahnung von diesen Dingen«, widersprach Roxane heftig. In ihrer Brust war ihr Herz ein einziger Knoten der Angst. Was hat er gehört? Wer hat ihm so etwas erzählt?
    »Ist das so?«, fragte Harfell gehässig und deutete auf Tola, die sich nicht gerührt hatte. »Dann halten Sie den Fähnrich fest. Oder muss ich einen Soldaten kommen lassen, der Sie in die Brig wirft?«
    »Nein, Thay«, entgegnete Roxane förmlich und kniete wieder nieder. Sie konnte Tola nicht in die Augen sehen. Nicht einmal, als der erste Schlag klatschend auf die Haut traf. Die Fingernägel des Mädchens gruben sich in Roxanes Haut, und sie stieß einen unterdrückten Schrei aus. Zwischen jedem einzelnen Schlag lag eine Ewigkeit, die an Roxanes Nerven zerrte, als wäre sie selbst Opfer der Bestrafung. Doch nicht sie musste leiden, sondern Fähnrich Tola Levman. Sie war nachlässig, versuchte Roxane sich einzureden, eine Strafe ist angemessen. Ein weiterer Schlag klatschte auf Tolas blanke Haut, und diesmal konnte das Mädchen nicht mehr an sich halten und schrie den Schmerz hinaus. Aber nicht diese!
    Endlich, nach über zwanzig Schlägen, endete die Tortur. Der Fähnrich blieb weinend über die Kanone gebeugt liegen, während sich Roxane langsam aufrichtete. Ihr Körper fühlte sich fremd an, als wäre es nicht ihr eigener, sondern eine Marionette, die sich nach einem fremden Willen bewegte. Steif nahm sie Haltung an und sah Harfell ins Gesicht, wo sie nichts als einen widerwärtigen Ausdruck des Triumphs fand.
    »Sorgen Sie dafür, dass Fähnrich Levman versorgt wird«, befahl der Kapitän. Sein Blick glitt über Roxanes Züge. In seiner Miene spiegelte sich eine Erwartung wider, als wünsche er Widerworte von der jungen Offizierin, doch Roxane salutierte: »Aye, aye, Thay!«
    »Lassen Sie sich das eine Lehre sein«, erklärte Harfell, ohne den Blick von Roxane zu nehmen. »Aufsässigkeit und mangelnde Disziplin werden an Bord meines Schiffes immer angemessen bestraft … Fähnrich.«
    Auch Roxane wandte sich nicht ab. In ihr vermischten sich Wut und Verzweiflung, geboren aus Hilflosigkeit, zu einem grausamen Tanz. Er muss es in meinen Zügen sehen. Er muss es spüren! Doch Harfell nickte nur, ganz so, als ob er mit sich selbst zufrieden sei. Schließlich drehte er sich um und lief das Geschützdeck entlang, gefolgt von seiner Wache.
    »Helfen Sie mir«, befahl Roxane dem Maat und beugte sich zu Tola hinab.
    »Ganz ruhig. Wir bringen Sie ins Schiffslazarett. Man wird sich um Sie kümmern. Ganz ruhig, alles ist vorbei«, versuchte sie das Mädchen zu beruhigen, ohne an die

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