Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
Vom Netzwerk:
womöglich gleich mit auspeitschen lassen!«
    »Und hätten dann auch alle zugesehen, wie beim Fähnrich?«
    Das brachte ihn zum Schweigen, was Roxane eine grimmige Befriedigung verschaffte, die jedoch in ihrer Hohlheit schnell verflog.
    »Verzeihen Sie mir«, bat sie, als sie die Verzweiflung in seiner Miene sah. »Ich wollte ihn aufhalten, aber … ich konnte nicht.«
    »Nein, Sie konnten nicht. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass er uns gegeneinander aufbringt. Seine Stimmungsschwankungen sind … gefährlich. Es kann jeden treffen. Denken Sie an Aella!«
    »Der Leutnant wurde bloßgestellt, nicht blutig geschlagen«, erinnerte ihn Roxane. Er nennt sie beim Vornamen. Wie nahe stehen sie sich eigentlich?
    »Sicherlich. Aber ich fürchte, es ist nur eine Frage der Zeit. Wir müssen … etwas tun«, endete er lahm.
    »Was sollen wir tun? Und wogegen? Dass er einen Fähnrich für einen Fehler prügeln ließ? Meine Güte, Frewelling, die Hälfte aller Kapitäne der Flotte würden Sie auf der Stelle für verrückt erklären, wenn Sie sich darüber beschweren! Fähnriche bekommen nun einmal Prügel, nur so lernen sie ihr Handwerk!«
    »Aber zwei Dutzend Hiebe? Das ist unangemessen!«
    Die junge Offizierin schüttelte den Kopf. »Auch da wird man Ihnen widersprechen. Doch selbst wenn, eine harte Strafe ist kein Vergehen gegen irgendein Gesetz, das auf einem Schiff Gültigkeit hätte. Dieses Gerede hier aber sehr wohl! Würde uns jemand hören, stünden wir vor einem Kriegsgericht, bevor wir auch nur zu Ende gesprochen hätten. Außerdem …«
    Ein Gedanke ging ihr durch den Kopf, der nicht einfach zu fassen war. Der Leutnant sah sie fragend an, aber sie brauchte einen Moment, um die richtigen Worte zu finden.
    »Außerdem liebt die Mannschaft den Kapitän. Sie hätten die Blicke sehen sollen, als ich Tola halb bewusstlos ins Lazarett geschafft habe. Sie haben gefeixt, manche offen gespottet. Der Kapitän bringt ihnen Geld, er gibt ihnen Rum, er demütigt Offiziere vor ihnen. Vielleicht würden wir es nicht einmal bis zu einem Kriegsgericht schaffen.«
    »Was sollen wir tun?«, flüsterte Frewelling. Sie konnte in seinen Augen lesen, dass er ihr recht gab. Für den Moment waren sie allein, jeglicher Versuch des Widerstands würde in einer Katastrophe enden.
    »Auf den Schiffen Ihrer Majestät gehorchen die Männer und Frauen dem Kapitän und achten die Einheit. Wir müssen dies weiterhin tun, Leutnant. Wir haben keine andere Wahl. Uns sind die Hände gebunden, so sehr diese Fesseln uns auch schmerzen mögen.«
    »Es ist nicht richtig.«
    »Das ist die Wahrheit, Frewelling.« Ihre Stimme hatte einen flehenden Unterton angenommen. Sie spürte, dass ihm die erzwungene Untätigkeit zuwider war, dass er handeln wollte; er hatte zu lange geschwiegen und zugesehen. Doch eine überstürzte Aktion würde unausweichlich das Ende seiner Karriere bedeuten. Und das Ende seines Lebens wohl gleich mit. Sowie meines Lebens, denn wenn er handelt, werde ich mich nicht gegen ihn stellen. Ich werde an seiner Seite sein, erkannte Roxane überrascht.
    »Sie haben recht. Wir müssen abwarten«, stimmte Frewelling ihr schließlich zu, was sie vor Erleichterung die Augen schließen ließ. Der Zorn war verraucht, das nagende Gefühl der Hilflosigkeit blieb. Aber jetzt hatte sie einen Verbündeten. Vielleicht war ihre Position schwächer als die des Kapitäns, vielleicht war er übermächtig, doch zumindest stand sie jetzt nicht mehr allein.
    »Nennen Sie mich Roxane«, bat sie und streckte ihre zitternde Hand vor. Einen Moment lang zögerte der Leutnant, dann nahm er ihr Angebot an: »Cearl.«
    Die Berührung seiner warmen, rauen Hand beruhigte Roxane, gab ihr einen Fixpunkt, einen Fels, auf dem sie Sicherheit fand. Sein Lächeln machte ihr Mut, und sie erwiderte es. Nicht mehr allein.

JAQUENTO

    »Nur eine Fleischwunde«, erklärte Bihrâd und setzte die Nadel ab. Das gebogene Instrument erschien harmlos genug in den dunklen Händen des Mauresken, und doch beäugte Jaquento sie misstrauisch. Nachdem Bihrâd die Wunde mit einer trüben Flüssigkeit, die einerseits kühlte, andererseits einen feurigen Schmerz verursachte, gereinigt hatte, war die Nadel von ihm ein halbes Dutzend Mal durch die Wundränder gestochen worden, um diese zu verschließen. Die Nadel mochte klein sein, doch sie hatte Jaquento exquisite Schmerzen beschert, die auch ein Schluck Rum nicht wirklich unterdrücken konnte. Nur eine Fleischwunde, nur eine Nadel. Nur ist ein

Weitere Kostenlose Bücher