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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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und die Soldaten schlossen das Tor hinter ihnen.
     
    Obwohl sie eine Ration weniger erhielten, musste Sinao nicht hungern. Natürlich hätte sie einfach von den Vorräten stehlen können, denn nur sie allein wusste, wie viel es in den Kellern gab, aber das musste sie gar nicht. Alle in der Küche gaben ihr von ihrem eigenen Essen, sogar Bebe, auch wenn der Alte kein Wort sagte, als er sein Brot brach, um es mit ihr zu teilen.

ROXANE

    Obwohl ihre Finger vom unablässigen Regen so kalt waren, dass sie schmerzten, wagte Roxane es nicht, sie von dem Tau zu lösen. Eine Hand für dich, eine Hand für das Schiff , wiederholte sie im Geist immer wieder, so lange, bis die Worte keine Bedeutung mehr zu haben schienen. Die Müdigkeit steckte ihr tief in den Knochen, und wenn sie unter Deck war, konnte sie die gleiche Erschöpfung in den Augen ihrer Schiffskameraden sehen.
    Das Flackern eines Blitzes irgendwo in den schwarzen Wolken über ihr ließ sie aufblicken. Dann rollte der Donner über das Schiff und übertönte sogar das Heulen des Windes. Obwohl es erst kurz nach dem Mittagsglasen war, herrschte eine Dunkelheit, die nur von den Blitzen erhellt wurde. Und Roxanes Stimmung war so finster wie das Firmament. In den letzten Tagen hatte sie sich eingestehen müssen, dass die Atmosphäre an Bord hoffnungslos vergiftet war. Was zunächst einfach wie eine gegenseitige Abneigung zwischen dem Kapitän und Leutnant Hugham erschienen war, hatte sich als ein Wechselspiel von Misstrauen und Argwohn herausgestellt, wie es Roxane noch nicht erlebt hatte.
    Wieder blitzte es hoch über ihr. Der dicke, gewachste Mantel hatte den Abwehrkampf gegen die Feuchtigkeit verloren, und Roxane war bis auf die Haut durchnässt. Schwere Tropfen fielen von ihrem Zweispitz, kaltes Wasser lief aus ihren Haaren den Hals hinab. Doch sie zog es selbst in diesem höllischen Wetter vor, hier an Deck zu sein, anstatt in der Offiziersmesse.
    Bei dem Gedanken entfuhr ihr ein Seufzer. So habe ich mir meine erste Fahrt als Leutnant sicher nicht vorgestellt. Vielleicht wird es in der Sturmwelt besser, wenn es gilt, Piraten zu jagen und die Handelsrouten zu sichern. Der Gedanke war hoffnungsvoll, aber Roxane gelang es nicht, sich davon zu überzeugen. Zu sehr lasteten die schweigsamen Mahlzeiten der letzten Zeit auf ihrer Erinnerung, die knappen, mürrischen Grüße, das endlose Schweigen unter den Offizieren. Während Hugham allezeit reizbarer wurde, zog sich Frewelling immer weiter zurück und ließ sich außerhalb seiner Wachen kaum noch sehen. Und jetzt zwang der Sturm alle unter Deck, in die vollgestopften Quartiere, wo sie auf engstem Raum miteinander auskommen mussten. Nein, die Wachen sind quasi eine Erholung!
    Ein Blitzschlag direkt über ihr ließ Roxane zusammenzucken, und als der Donner das Schiff buchstäblich erzittern ließ, war sie gewillt, ihre Meinung langsam zu ändern. Für einen Moment horchte sie auf den Wind, dessen Kraft noch weiter zunahm. Schon spürte sie, wie die Mantikor sich stärker zur Seite neigte, als die bereits geringe Segelfläche von neuen Böen erfasst wurde. Hinter ihr knarrte der Besanmast bedrohlich, und Roxane erkannte, dass es an der Zeit war, auch die letzte Besegelung einzuholen und den Sturm ganz vor einem Treibanker abzureiten. Erneut kam eine Bö, diesmal von Steuerbord, und die Offizierin musste sich mit beiden Händen an das Seil klammern, um nicht zu Boden zu stürzen. Innerhalb weniger Herzschläge hatte die Gewalt des Sturms sich schier verdoppelt. Selbst mit dem bisschen Leinwand zerschlägt es uns die Masten , dachte Roxane, oder wir kentern. Wir haben keine Zeit zu verlieren! Mit dem Arm hakte sie sich in das Seil ein und hielt die Hände wie einen Trichter vor den Mund, um sich über dem Sturm Gehör zu verschaffen: »Die Wache an Deck! Alle Segel einholen! Treibanker klarmachen!«
    Die Pfeifen der Bootsmaate ertönten, und nach wenigen Momenten rannte die Wachmannschaft aus den Luken nach oben. Während dieses Wetters war nur an Deck, wer es unbedingt sein musste, während die Wache unter Deck auf Befehle wartete. Jetzt stürzten die Männer und Frauen über das regennasse Deck und stiegen in die Wanten. Auf dem Hauptdeck wurden die Befehle gebrüllt und weitergeleitet, aber Roxane konnte wenig mehr als einige Fetzen verstehen. Von tropischen Taifunen hatte sie bislang nur gehört, und eigentlich sollten sie noch außerhalb der üblichen Bahnen dieser zerstörerischen Urgewalten sein, doch daran konnte

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