Sturmwelten 01
Sturms zu verteilen. Vielleicht könnte ich in unmittelbarer Nähe des Schiffs einen Teil der Macht ablenken, aber der Sturm entsteht nicht hier.«
»Wo dann?«
»Überall? Ich kann nicht sagen, ob es ein Zentrum gibt.«
»Was ist mit Ihnen, Groferton?«
»Ich habe bereits alles gesagt, was ich weiß, Thay.«
»Traumstaub?«
Auf Grofertons Gesicht spiegelte sich Entsetzen wider, und er hob abwehrend die Hände. »Nein, Thay. Wer weiß, welchen Dingen ich mich öffnen würde! Ich wäre den Elementen vollkommen schutzlos ausgeliefert.«
»Das bedeutet, wir stehen etwas Unbekanntem gegenüber und können nichts tun?«
Sowohl der Maestre als auch der Caserdote nickten in seltener Einmütigkeit.
Wütend schlug Harfell mit der Faust auf den Tisch. »Das ist völlig inakzeptabel! Sie beide werden sich zusammensetzen und einen Weg finden!«
»Habe ich die Erlaubnis, Arsanum anzuwenden, Thay?«, erwiderte der Maestre trocken.
»Wenn es nötig ist, haben Sie auch die Erlaubnis, dazu noch ein ganzes Fass Rum zu trinken. Aber bringen Sie mir, verflucht noch mal, Ergebnisse!«
»Thay«, erwiderte Sellisher steif und schritt gemeinsam mit dem Maestre aus der Kajüte. Auch Hugham verließ den Raum, während Roxane weiter still dasaß. Der raue Stoff ihrer Uniform kratzte über ihre Haut, und sie erwartete jeden Moment einen Ausbruch des Kapitäns, der jedoch nur gedankenverloren auf die Karte blickte. Erst nach einer ganzen Weile blickte er auf und schien erstaunt zu sein, Roxane zu sehen.
»Was denn noch, Leutnant?«
»Wollen Sie mich nicht sprechen, Thay?«
»Was? Nein! Auf Ihren Posten!«
Diesmal salutierte die Offizierin zackig und entfernte sich. Doch ihre Unruhe war nur weiter gewachsen; je länger sich ihre Bestrafung hinauszögerte, desto schlimmer wurde die Sorge. Ich muss mich auf meine Pflichten konzentrieren und meinen Dienst tun , herrschte sich Roxane in Gedanken an. Alles andere liegt so weit außer meiner Kontrolle wie dieser Sturm!
Das Mahl war karg und noch dazu kalt. Das Schiff stampfte und krängte zu sehr, um den Herd sicher betreiben zu können, und so gab es nur Schiffszwieback und Trockenfleisch, was sich nur mit viel verdünntem Bier herunterspülen ließ. Inzwischen hatte Roxane sich daran gewöhnt, ihre Mahlzeiten allein in der Messe einzunehmen. Von Groferton und Sellisher war während der letzten Wachen nichts zu sehen oder zu hören gewesen, während die anderen Leutnants nur zum Dienst aus ihren Kammern kamen. Umso erstaunter war sie, als unvermittelt Leutnant Frewelling eintrat und sich an den Tisch setzte. Seine Erscheinung war wie immer tadellos, aber seine Finger spielten mit den Knöpfen seines Uniformrocks und zerstörten so das Bild des perfekten Offiziers.
Nach einigen Minuten des Schweigens schob Roxane ihre Schüssel mit dem halb gegessenen kalten Mahl fort und sah Frewelling fragend an. Seine Augen wanderten kurz über ihr Gesicht, dann blickte er wieder auf den Tisch, so angestrengt, als gelte es, in der Maserung des Holzes die Zukunft zu lesen.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Leutnant?«, fragte Roxane schließlich.
»Nein. Ich … ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich Ihre Handlungsweise für korrekt halte.«
Verwirrt blickte sie ihn an. Er warf nervös einen Blick über die Schulter, als erwarte er, jeden Augenblick géronaische Soldaten durch die Luke stürmen zu sehen. Natürlich wusste er von ihrem Zusammenstoß mit Harfell; ihre Hoffnung, dass der Sturm den Wutausbruch des Kapitäns verborgen hatte, war naiv gewesen. Auf einem Schiff mit fast dreihundert Seelen blieb nichts ein Geheimnis.
»Meine Handlungsweise? Sie meinen meine Anordnung, die Segel zu reffen?«
»Ja.«
»Ich hatte meine Befehle. Vermutlich hätte uns die kurze Verzögerung nicht geschadet. Ich habe eine ständige Order missachtet. Es ist das Recht und die Pflicht des Kapitäns, mich dafür zu bestrafen.«
Die Worte klangen hart, selbst in Roxanes Ohren, doch dies war die einzig mögliche Schlussfolgerung. Sie hatte ihre Pflicht nicht erfüllt und würde sich den Konsequenzen stellen.
»Vermutlich«, murmelte Frewelling so leise, dass Roxane nachfragte: »Bitte?«
»Sie sagten vermutlich , Leutnant. Vermutlich hätte es das Schiff nicht in Gefahr gebracht. Aber vielleicht doch. Es ist die oberste Pflicht eines jeden Besatzungsmitglieds, die Sicherheit des Schiffes zu gewährleisten.«
Er schien seine Fassung mit jedem Wort ein bisschen mehr wiederzugewinnen. Mit fester Stimme fuhr
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