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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Angst, was sie sehen würde. Zu ihrer endlosen Erleichterung war es nur eine Schramme an der Schläfe, vom Auge bis zum Haaransatz.

    »Querschläger«, erklärte sie knapp. »Oder Splitter.«
    Er stützte sich auf die Arme und schüttelte den Kopf. Blut lief seine Wange hinab, doch er kümmerte sich schon nicht mehr darum. Zusammen liefen sie weiter, immer nah an der Mauer, stets mit dem Gefühl des drohenden Todes im Rücken. Obwohl sie jeden Moment mit der Kugel rechnete, die sie traf, fühlte Roxane sich seltsam frei und ohne Angst.
    Erst als sie die Mauer zusammen mit der Stadt hinter sich lassen mussten, wandte sie sich um. Zwei Männer liefen hinter ihnen her, doch sie rannten langsamer als sie, da sie versuchten, im Lauf ihre Musketen nachzuladen. Von den anderen war nichts mehr zu sehen; sie mussten am Tor geblieben sein.
    Jaquento packte Roxane am Arm und zog sie herunter von der Straße und einen Hang hinauf. Sie sprangen über eine niedrige Mauer aus Feldsteinen, dann hielten sie sich parallel zur Straße und rannten weiter.
    Allmählich machten sich die Anspannung und die Anstrengung bemerkbar. In Roxanes Lungen brannte es, jeder Atemzug sandte ein Stechen durch ihre Seite, aber sie lief weiter und weiter, durch einen Hain Olivenbäume hindurch.
    Sie erreichten die Kuppe eines niedrigen Hügels, als erneut Kanonendonner zu ihnen drang. Jetzt blieb Roxane stehen, als hätte sie eines der Geschosse getroffen. Das war kein vereinzeltes Geschütz, es war eine Salve. Sie wandte sich um. Einige hundert Fuß hinter ihnen hatten ihre Verfolger ebenfalls angehalten und starrten zurück nach Balcera. Doch es war nicht die Stadt, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Es waren die geblähten Segel der mächtigen Schiffe davor, ihre Rümpfe mit dem schachbrettartigen Muster der Stückpforten, die Kanonen, von denen noch Rauch emporstieg.
    Es war die thaynrische Flotte, die vor dem Hafen von Balcera stand und die Forts unter Beschuss nahm.

TAREISA

    Die Nähe der Ladung zu spüren überdeckte alle anderen Gefühle. Die Leere, der Machtverlust, die Ahnung des Ausgeliefertseins, all das zeugte von dieser ständigen Präsenz, die an Tareisas Geist nagte. Sie versuchte, die Effekte durch Konzentrationsübungen einzudämmen, die sie schon in jüngsten Jahren erlernt hatte und mit denen sie all die Zeit ihr Können und ihre Kontrolle über Körper und Geist gestärkt hatte, um ihr Wissen um das Arsanum zu perfektionieren. Doch die alten Rituale verloren angesichts des Sogs in ihr jegliche Wirkung, und nur selten gelang es der Maestra, sich von den unliebsamen Gedanken, die sie immer wieder überfielen, zu befreien.
    Dem Rest der Besatzung ging es besser als ihr, da sie weniger empfindlich für das waren, was sie da transportierten, aber selbst in ihrem abgelenkten Zustand bemerkte Tareisa, dass die Männer und Frauen ständig mürrisch waren und die Unzufriedenheit wuchs. Der Kampf gegen die Thayns hatte die Moral angeschlagen, und die Piraten segelten zwar weiterhin mit der Aussicht auf Belohnung, jedoch ohne handfeste oder gar fette Beute. Es missfiel ihnen offensichtlich, dass sie nicht auf die Jagd nach Prisen gingen, sondern sich stattdessen vorsichtig die Küste entlangbewegten, stets auf der Hut vor den Patrouillen der Thayns.

    Das kühle, nasse Wetter tat das Seine, um die Stimmung an Bord weiter sinken zu lassen. Immerhin hatte Deguay auf die gereizte Stimmung reagiert und spendierte immer mal wieder eine Extraportion Rum und anderen harten Alkohol, aber solange sie noch im Schatten der thaynrischen Marine unterwegs waren, konnte es kaum ausgelassene Gelage geben; zu groß war die Gefahr, dass sie erneut entdeckt wurden und jeden Mann und jede Frau zur Verteidigung benötigten.
    Aber diese Probleme nahm Tareisa zumeist nur am Rande wahr, und sie kümmerte sich kaum um sie. Ihre Versuche, mit dem alten Mann Kontakt aufzunehmen, waren an der Ladung gescheitert, und es gab keine vernünftige Möglichkeit, genügend Abstand davon zu gewinnen, um sich dem Einfluss zu entziehen. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie den Plan geändert und wäre über Land gereist, doch die Instruktionen, die sie erhalten hatte, waren deutlich, und sie wagte es nicht, gegen sie zu verstoßen.
    Wenigstens hatte der Capitane das Schiff aus der größten Gefahr bringen können und die schwersten Schäden reparieren lassen, so dass sie wieder bessere Fahrt machten. Aber noch immer sah man der Todsünde die zerstörerische Aufmerksamkeit

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