Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
überlegte sie genau, bevor sie antwortete: »Wir haben ein Geschäft abgeschlossen, Capitane. Weder ich noch meine Auftraggeber sind an Reichtum interessiert. Die Bezahlung bedeutet uns nichts. Euer Leben ebenso wenig. Ihr müsst mir einfach vertrauen, so wie ich Euch vertraue.«
Jetzt lachte Deguay.
»Weil Ihr an Bord meines Schiffes seid?«
»Ja.«
»Ihr seid eine Maestra, die über beträchtliche Kräfte verfügt, wie mir meine Leute versicherten, die sich mit diesen Dingen auskennen. Es dürfte mir schwerfallen, Euch auch nur ein Haar zu krümmen, selbst wenn ich das wollte. Selbst mit diesem …« Deguay machte eine Pause und deutete mit dem Kopf in Richtung des kleinen Bullauges, hinter dem irgendwo in der Dunkelheit die Totwey liegen musste. »Mit diesem Ding, was immer es ist.«
»Das ist richtig, aber es gibt Mittel und Wege, die Macht einer Maestra zu brechen. Ich bin allein unter Euren Leuten. Und auch ich muss schlafen.«
Wieder rieb sich Deguay den Bart.
»Das klingt beinahe wie eine Einladung, werte Dame. Aber ich werde Euch nichts antun. Ihr seid Gast auf meinem Schiff, und wir haben eine Abmachung. Sicherlich versteht Ihr dennoch, warum ich mir Sorgen mache?«
»Natürlich, Capitane, aber Eure Sorgen sind unbegründet. Es geht mir nur um die Fracht der Totwey . Was Ihr und Eure Leute tun, ist von minderem Interesse.«
Jetzt lächelte Deguay sie an und zwinkerte ihr zu, was sie äußerlich ungerührt aufnahm. Innerlich jedoch lachte sie.
»Mir scheint, wir haben eine Art Pattsituation erreicht. Beide Seiten verfügen über die notwendigen Mittel, der anderen zu schaden, beteuern aber, dass dies nicht in ihrem Interesse liegt.«
Mit einer leichten Neigung des Hauptes bedeutete Tareisa ihm, weiterzusprechen.
»Meinerseits werde ich Euch das notwendige Vertrauen entgegenbringen. Vielleicht ist die Verlockung des Geldes einfach zu stark für mich. Oder Eure Schönheit hat meine Sinne vernebelt.«
Er blickte ihr direkt in die Augen, und unvermittelt wurde sich die Maestra der Spannung bewusst, die zwischen ihnen beinahe hörbar knisterte.
»Ich schiebe es auf das Geld, Capitane. Ihr seid kaum der Mann, der sich von einer Frau zu unüberlegtem Handeln verleiten lässt, ganz egal, wie schön Ihr sie nennt«, erwiderte sie mit einer Ruhe, die sie nicht empfand. Deguay war von einem anderen Kaliber als die beiden Männer, mit denen sie zunächst gesprochen hatte. Auch Capitane Pertiz und sein Begleiter Jaquento waren Ausgestoßene der Gesellschaft und damit nicht ungefährlich gewesen, aber Deguay war mehr als das. Er ist ein Raubtier, in jeder Hinsicht .
»Ihr überschätzt mich, oder Ihr unterschätzt Euch, werte Dame.«
Wieder dieses Lächeln, selbstbewusst, aber nicht uncharmant.
»Nein, Capitane, ich bin mir meiner Sache sehr sicher. Ich …«, begann Tareisa, wurde aber von lautem Rufen unterbrochen. Eine tiefe Stimme rief nach Deguay, und er sah sie entschuldigend an.
»Ihr verzeiht?«
Ohne auf die Antwort zu warten, erhob er sich und öffnete die Tür.
»Was gibt es?«
Eine hochgewachsene, blonde Frau schob sich ins Sichtfeld. Ihre breiten Schultern füllten den Türrahmen fast vollständig aus. Der unverschämt neugierige Blick, den sie zu Tareisa hinüberwarf, verdeutlichte, welche Situation sie vorzufinden erwartet hatte. Offensichtlich war sie enttäuscht, dass die Maestra noch vollständig angezogen war. Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter und brummte mit deutlichem Akzent: »Da is’ einer vonne Prise, Käpt’n. Gibt wohl Ärger da drüben.«
Sofort sprang Tareisa auf und trat neben den Capitane.
»Ärger? Was für Ärger?«
»Jemand hat versucht zu klauen.«
Die Maestra warf Deguay einen Blick zu, den dieser richtig deutete.
»Lass das Dingi klarmachen, Hilrica. Wir setzen über und kümmern uns darum.«
Eine ungewohnte Nervosität ergriff von Tareisa Besitz. Normalerweise hätte sie sogleich die Vigoris zu Hilfe gerufen, um ihre Sinne zu verlagern oder einfach direkt den kurzen Weg bis zur Totwey zu überbrücken, doch die Anwesenheit der Kiste machte dies unmöglich. So musste sie warten,
glücklicherweise jedoch nicht sehr lange, denn die Nachricht war mit einem Boot gekommen, in dem sie und Deguay nur Augenblicke später zur Schwarzbrunn-Fregatte gerudert wurden.
Die Gerüche der nahen Insel lagen in der Luft, aber in der Dunkelheit war von der Küste des Eilands nichts zu sehen. Es war, als schwebten sie auf dem Wasser, die dünnen Lichter der beiden
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