Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
uns aufknüpft dafür, dass wir Euren Hintern gerettet haben?«
Wenn seine raue Ausdrucksweise sie irritierte, zeigte sie es nicht. Stattdessen nickte sie mit ernster Miene. Sie räusperte sich, dann sah sie ihm zum ersten Mal direkt in die Augen.
»Ich werde Sie und Ihren Gefährten nach Corbane bringen. Dort erwartet Sie ein fairer Prozess, der …«
Jaquentos Lachen unterbrach sie. Kopfschüttelnd blickte er sie an.
»Ist das Euer Ernst? Fair? Hört Euch nur reden, Meséra, da bin ich schon von Frauen in den billigsten Kaschemmen besser belogen worden.«
»Vielleicht wollten Sie diesen Frauen ja auch einfach lieber glauben«, schoss sie zurück, nun endlich doch aus der Fassung gebracht.
»Man wird Zeugen hören«, fuhr sie dann etwas ruhiger fort. »Und ich werde mich für Sie verbürgen, obwohl mir bewusst ist, dass Sie ein falsches Spiel mit mir gespielt haben. Man haftet für seine Taten, Jaquento.«
»Das ist mir nur allzu bewusst«, erwiderte der junge Hiscadi düster. Oder man läuft vor ihnen davon. Aber das ist etwas, was du nicht wissen kannst. Und derzeit wohl auch keine Option . Für einen Moment wanderten seine Gedanken nach Corbane und zu dem, was ihn vielleicht außer einem Strick dort noch erwarten mochte, doch sofort zwang er seinen Geist in das Hier und Jetzt zurück. Laut fuhr er fort: »Aber es gibt keine Taten, für die ich haften müsste. Ich habe Euch und Eurem Schiff nach bestem Gewissen geholfen, wenn Ihr Euch die Mühe machen wollt, Euch richtig zu erinnern.«
»Dann müssen Sie sich ja auch keine Sorgen machen«, beschied ihn die Offizierin kühl. Offenbar war ihr Zorn noch nicht verraucht. »Aber genau das werde ich aussagen.«
»Und wie viel ist Euer Wort noch wert?«
Sie schwieg, aber Jaquento spürte, wie sich ihr ganzer Leib anspannte. Dann nickte sie ihm zu. Ihre Stimme war beherrscht: »Ich sorge dafür, dass Sie angemessen behandelt und versorgt werden, bis Sie aus meiner Obhut entlassen werden. Und ich sichere Ihnen zu, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um Sie vor dem … um Ihnen vor den Richtern beizustehen. Guten Tag, meine Herren.«
Damit wandte sie sich ab und klopfte an die Tür. Einen Augenblick lang hatte Jaquento die irrsinnige Vision, wie er aufsprang, sie niederschlug, die Wachen überwältigte und mit Bihrâd floh, doch stattdessen verschwand Roxane aus der
Brig, ohne dass er einen Finger gerührt hätte, und ließ den jungen Hiscadi kochend vor Zorn zurück.
»Was ist eigentlich passiert?«, flüsterte er Bihrâd zu, der mit den Achseln zuckte, ohne sich zu erheben.
»Sie kamen mit Booten. Vom Hafen und den Schiffen. Es waren zu viele. Wir haben die Flagge eingeholt.«
»Wo sind wir? Schon auf See? Wo ist der Rest? Manoel?«
Die Fragen schossen Jaquento durch den Sinn. Er suchte Wege aus der Misere, doch ohne Antworten war er im Labyrinth des eigenen Unwissens gefangen.
»Mano war mit der kleinen Paranao an Land, als es losging. Der Rest ist irgendwo verstreut, vermute ich. Sie haben mich auf die Fregatte gebracht. Dann haben sie dich reingetragen. Ist noch nicht lang her. Wir sind noch in Lessan.«
»Lessan«, murmelte Jaquento. »Das ist unsere einzige Chance. Wenn wir erst auf See sind, ist alles verloren.«
»Mach dir keine Hoffnungen, Jaq«, entgegnete der Maureske grimmig. »Das Holz hier ist dick, und es stehen immer Soldaten vor der Tür. Wir kommen hier nicht raus.«
»Wenn Manoel noch da draußen ist, kann er vielleicht etwas unternehmen«, konterte Jaquento hitzig. »Unsere Leute können die Windreiter zurückkapern. Wir …«
Als er den niedergeschlagenen Blick seines Freundes sah, hielt der junge Hiscadi inne. Die Aussichtslosigkeit ihrer Situation legte sich wie ein eisernes Band um seine Brust. Sie saßen im größten Hafen der Thayns auf einem Kriegsschiff in der Brig, und selbst wenn einige ihrer Gefährten entkommen waren, konnten diese es kaum mit der Macht der gesamten Kriegsmarine aufnehmen.
Seufzend lehnte Jaquento sich zurück. »Na ja, ich wollte Thaynric schon immer mal besuchen. Es soll im Sommer ja nicht ganz so kalt sein, habe ich mir sagen lassen.«
»Es ist dort immer kalt«, erwiderte Bihrâd. »Und es regnet ständig, hat man mir erzählt. Wenn es nicht Schnee vom Himmel gibt. Vermutlich tragen die Thayns zu Hause allesamt Tierfelle und grunzen wie die Schweine, bevor sie sich im Winter in irgendwelchen Löchern vergraben.«
Der Gedanke an Roxane, die sich in Felle gehüllt eine Winterhöhle
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