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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Mir gefällt das auch nicht. Aber wir können nichts anderes machen. Wir sitzen hier fest wie’n Kutter auf’ner Sandbank. Aber irgendwann kommt die Flut, und wir segeln davon.«
    Er machte eine fließende Bewegung mit der Hand, als strecke er sich zum Horizont, der sich irgendwo hinter den Holzwänden ihres Verstecks verbarg.
    Noch war die Wut in Sinaos Herz nicht verraucht, aber sie fragte sich, ob er vielleicht doch recht hatte. Es fiel ihr schwer, Manoel mit seinem schnellen Lächeln böse zu sein; er hatte ihr geholfen, sie unter seine Fittiche genommen und sie beschützt.
Und jetzt war er das letzte Bekannte, was ihr geblieben war. Sie wusste nicht, wo die anderen ehemaligen Sklaven waren, und die wenigen freundlichen Gesichter der Windreiter waren auch von den Thayns verschleppt worden. Manoel war im Augenblick ihr einziger Ankerpunkt in dieser chaotischen Welt.
    Sie spürte die Anwesenheit, bevor sie die Rufe hörte. Auch Manoel riss die Augen einen Moment auf, als der Lärm zu ihm durchdrang. Eine Präsenz war im Haus, ein Gefühl der Leere, das Sinao erschreckte.
    »Verflucht, ein Caserdote«, zischte Manoel, als unten Holz splitterte und ein Mann aufschrie. Dann wurden Befehle gebrüllt, in der Sprache der Thayns. Noch einmal ertönte ein Kreischen, dann trommelten Stiefeltritte die Stufen empor.
    »Aufmachen!«
    »Gut«, murmelte Manoel, der sich aufgerichtet hatte. Seine Augen verdrehten sich für einen Augenblick, dann flog die Tür wie nach einem gewaltigen Schlag davon, wurde aus dem Rahmen gerissen, zerstörte ihre Angeln und fegte als tödliches Geschoss die Treppe hinab.
    »Maestre«, schrie eine Frau über den Lärm berstenden Holzes und stürzender Leiber hinweg. Sinao warf sich unter den Tisch, kauerte sich zusammen, machte sich so klein wie sie nur konnte. Ein lauter Knall ertönte, ihr vertraut aus dem Kampf um die Festung auf Hequia. Kugeln peitschten in den Raum, schlugen dumpf in die Wände ein, prallten mit infernalischem Geheul von dem nicht stofflichen Schild ab, den Manoel hastig errichtet haben musste. Noch eine Salve, gezielter diesmal, doch der Schild hielt auch ihr stand. Aber Manoel wurde zurückgedrängt, musste sich ducken, und die Soldaten rückten vor. Schon spähte der erste über den Treppenabsatz, die Muskete angelegt. Das schwarze Loch der Mündung schwenkte zu Sinao, und es war, als blicke sie in
das Maul eines gefräßigen Tieres. Doch der junge Rotschopf schoss nicht auf sie, sondern zielte auf Manoel.
    Sinao spürte, wie die Energien des Schildes schwanden. Es war ein krudes Machwerk, wenig mehr als eine Verzweiflungstat, und es löste sich bereits auf. Sie sah, wie der Soldat den Finger um den Abzug krümmte, wie die Muskete Feuer und Rauch und Metall spie, wie sie sich aufbäumte. Und sie wusste, dass der Schild fallen würde, bevor die Kugel an ihm abprallen konnte, einen winzigen Augenblick vorher, den tausendstel Bruchteil eines Herzschlags. Das alles sah sie, als würde die Welt immer langsamer werden.
    In ihr regte sich ein Impuls; das, was Manoel Pforte genannt hatte. Vigoris strömte in ihren Leib, in ihren Geist, in ihr Herz. Manoel warf sich nieder, doch er war zu langsam, seine Reaktion kam zu spät. Sinaos Augen folgten gebannt dem Flug der Kugel, die sich aus den Rauchschwaden löste. Ein winziges Objekt, nur so schwer wie eine Handvoll Erde, ein kleiner, schwarzer Ball.
    Der Schild fiel, die Kugel flog weiter. Aus Sinaos Händen strömte die Vigoris. Es war kein gewollter Akt, keine kunstvolle Demonstration, sondern nur ein Ausbruch der Macht, geboren aus Angst und Wut. Unvermittelt wurde Manoel zu Boden gedrückt, als die Vigoris über ihn hinwegspülte. Sinaos Augen konnten sie nicht sehen, aber sie spürte die Wellen und Fäden, die den jungen Maestre umfingen.
    Die Kugel verfehlte ihn, nun zu schnell für Sinaos Blicke. Staub rieselte aus der Wand, als sie einschlug. Manoel brüllte auf, krümmte sich am Boden zusammen und lag dann still.
    »Zwei! Es sind zwei!«
    Der junge Soldat blickte Sinao ängstlich an, seine rauchende Muskete auf sie gerichtet, obwohl sein Pulver verschossen war. Dann verschwand sein Gesicht aus ihrem Blickfeld, als er die Treppe hinabsprang.

    Eine seltsame Ruhe kehrte ein. Rauch lag in der Luft, der Pulverdampf kratzte in Sinaos Kehle. Unten war noch Tumult zu hören, aber niemand kam die Treppe herauf.
    Auf dem Bauch robbte Sinao zu Manoel, berührte ihn an der Schulter. Das schien ihn aus seiner Starre zu reißen. Er

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