Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
Vom Netzwerk:
graues Holz freigab. Einige Vögel zwitscherten in den nahen Obstbäumen, aber sie störten sich nicht an Franigos Wutausbruch. Obwohl der Begriff Wut ein zu profanes Gefühl beschrieb, das nicht ganz seine Verfassung traf; vielmehr war es eine Mischung aus Empörung und Verachtung.
    »Jeder könnte das«, murmelte er vor sich hin, während er sich erhob und auf und ab ging und dabei das Corpus Delicti durch die Luft schwenkte wie eine Waffe. »Das ist keine Kunst, das ist Barbarei am Worte!«
    Dieser kleine Begriff gefiel ihm ausnehmend gut, und er nahm sich die Zeit, ihn schnell zu notieren, um ihn in einem eigenen Werk zu verwenden. Der Gedanke an eine Streitschrift wider dieses unsägliche Geschreibsel durchzuckte seinen
Geist, aber dann erinnerte er sich, dass es sehr wohl seiner Gesundheit abträglich sein mochte, allzu öffentlich seinem gerechten Zorn Ausdruck zu verleihen. Und unter einem falschen Namen, einem verachtenswerten Pseudonym, werde ich meine Meinung nicht kundtun. Dazu ist sie mir zu wertvoll . Der Gedanke an die erotischen Poeme, die er unter einem falschen Namen hatte publizieren lassen, war ihm unangenehm genug.
    Sein Geist wurden von den beschämenden Gedanken daran derart abgelenkt, dass er einige Sekunden brauchte, um den Auslöser seiner Empörung wieder ins Auge zu fassen.
    Es war ein unscheinbares Heft, der Größe nach ein Oktavband, kaum dicker als ein Daumen, in einem billig anmutenden Einband mit einem Kupferstich darauf, der einen niedergeschlagenen Soldaten zeigte, der mit verbundenem Kopf auf eine lange Pike gelehnt den Betrachter mit müden Augen ansah. Diese Figur, dieser Soldat von der traurigen Gestalt, erzürnte den Poeten besonders, denn er hatte eine geradezu unheimliche Ähnlichkeit mit ihm selbst. Wenn man von der Pike absah, denn ein solches Kriegswerkzeug würde kein moderner Mann mehr benutzen. Aber der Knebelbart, der breitkrempige Hut, die hohen Stiefel – all das wirkte, als habe der unbekannte Künstler sich Franigo als Vorbild gewählt.
    Einige paranoide Momente lang glaubte der Poet fast daran, fragte sich, ob dies eine perfide Methode des Rufmords war, der seine Feinde in Cabany nun frönten. Dann verwarf er den Gedanken. Auch wenn der Princiess bereits bewiesen hatte, dass er der Macht des Wortes vertraute, würden er und seine Spießgesellen wohl kaum derartig viel Aufwand an einen flüchtigen Künstler verschwenden. Andererseits bin ich der wohl größte lebende Poet , dachte Franigo bei sich. Das kann meinen Feinden nicht entgangen sein .

    Wieder musste er seine wandernden Gedanken einfangen und sich auf das Buch konzentrieren. Unvermittelt wurde ihm bewusst, dass genau diese dauernde Ablenkung eine Folge des Lesens war. Man verlor die Kontrolle über den eigenen Geist an dieses Machwerk eines hiscadischen Landadligen, eines Provinzpossenschreibers, der nun überall im Lande zitiert und geehrt wurde. Dabei stand es lediglich Dramatikern und vielleicht noch Lyrikern zu, die Früchte ihrer sprachlichen Arbeit in solcher Weise zu ernten.
    Erbost packte Franigo das Buch und seinen Degen und lief in die Stube des Gasthauses. Wie nicht anders zu erwarten, fand er Aitea bei der Arbeit vor. Sie schrubbte die Tische mit einem rauen Lappen und viel Wasser. Einige Strähnen ihres Haares waren aus dem festen Knoten an ihrem Hinterkopf gerutscht und hingen ihr nun in das vor Anstrengung gerötete Gesicht. Ihre Ärmel waren hochgekrempelt und präsentierten kräftige Unterarme, auf denen das Putzwasser glänzte. Darüber, weitaus angenehmer, registrierte er die Wölbungen ihrer Brüste in dem hochgeschlossenen Kleid.
    »Ich habe dieses … dieses Buch gelesen«, rief der Poet lauthals, wobei er sich dazu zwang, den Anblick der arbeitenden Wirtin zu ignorieren. Seufzend ließ sie den Lappen in einen Holzeimer fallen und blinzelte Franigo an. Sie blies sich einige Haare aus dem Gesicht. Als er nichts sagte, wurde sie ungeduldig: »Und?«
    »Und es ist genau so grauenvoll, wie ich stets vermutet habe. Kein Wunder, dass ein gemeiner und einfacher Flegel wie Esterge auf diese sogenannte Literatur hereinfällt.«
    »Wer ist Esterge?«
    »Ach, das ist nicht weiter wichtig«, befand Franigo und winkte ab. »Es erscheint mir vonnöten, die Menschheit vor diesen Machwerken zu warnen. Ich habe meine Augen bislang vor dieser Notwendigkeit verschlossen, aber nun ist
es mir deutlich geworden, dass ich nicht länger so verfahren kann.«
    »Schön.«
    »Schön?«
    »Ja, schön. Tu das,

Weitere Kostenlose Bücher