Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Misstrauen in seinen Augen.
»Ich übernehme das, Soldat. Kehren Sie auf Ihren Posten zurück. Und Sie folgen mir bitte … Wie sagen Sie? Messer?«
»Mesér«, berichtigte Jaquento, dessen Anspannung sich in einem tiefen Atemzug entlud. »Mein Name ist Jaquento. Und mit wem habe ich die Ehre?«
»Mit Heric Cudden, Leutnant Ihrer Majestät auf dem schmucken Schiff Mantikor , welches ebenfalls Eigentum Ihrer
Majestät ist. Dass unsere gütige Herrscherin oft erwähnt wird, daran werden Sie sich gewöhnen müssen, nicht wahr?«
»Das wird mir sicherlich gelingen … Thay. Wir Hiscadi sind sehr gut darin, uns zwangsweise an fremde Sitten zu gewöhnen«, erwiderte Jaquento bissig. Doch zu seinem Erstaunen fuhr Cudden nicht auf, sondern er lachte.
»Ehrlich gesagt, hatte ich eher gehofft, Ihnen die Segnungen unserer großen thaynrischen Nation auf eine etwas freundlichere Art nahebringen zu können. Vielleicht bei einer kleinen Plauderei, während wir uns zur Kapitänin begeben?«
Nun musste auch Jaquento grinsen. »Einverstanden, auch wenn ich bislang nicht allzu oft Gelegenheit für Gespräche oder gar Plaudereien hatte.«
Der Leutnant wies mit der Hand das Deck entlang: »Gehen wir?«
Mit einem Nicken folgte Jaquento ihm. Sie befanden sich unterhalb des Geschützdecks, und Cudden führte sie zu einem Niedergang im Vorschiff. Auf dem Weg erhaschte Jaquento einen Blick in die Enge des Decks, auf die Reihen der Kanonen, zwischen denen Tischplatten an Seilen von der Decke herabgelassen waren. Dutzende Menschen saßen an diesen und aßen, und der junge Hiscadi bemerkte den einen oder anderen Blick, der ihnen folgte. Zu seiner Überraschung waren sie selten feindselig, sondern eher neugierig. Der Geruch von Essen hing in der Luft, obwohl viele Luken geöffnet waren und helles Sonnenlicht in den Schiffsraum fiel.
Wie gelingt es Sinosh in dieser Enge bloß, nicht entdeckt zu werden?, fragte sich der Hiscadi. Vermutlich lässt er sich außerhalb des Lagerraums nicht blicken. Da kann ich nur hoffen, dass ihm die Ratten nicht zu schnell ausgehen, damit er nicht über den Rum herfällt .
Der Leutnant vor ihm stapfte die steile Treppe empor und schenkte dem Treiben um sie her keine Beachtung.
»Sie waren Kapitän auf diesem Sklavenschiff?«, erkundigte er sich. Einige Momente überlegte Jaquento, was er antworten sollte, dann entschied er sich für ein simples »Ja«.
»Besten Dank für Ihre Unterstützung im Gefecht. Ohne Ihre Hilfe hätte die Korvette uns fein säuberlich den Arsch aufgerissen.«
»Es war mir ein Vergnügen«, entgegnete Jaquento mit aufgesetzter Förmlichkeit, ganz so, als seien sie zwei freie Männer und nicht der eine ein Gefangener des anderen.
Endlich erreichten sie das Hauptdeck und damit frische Luft und warme Sonnenstrahlen. Der Wind fuhr in Jaquentos Haar und auch in seinen Geist und blies die Trägheit der Gefangenschaft und den Geruch der Brig einfach fort. Jaquento schloss die Augen und war wenigstens für den Moment frei. Als er sie wieder öffnete und an den Masten emporblickte, die sich turmhoch über ihnen erhoben, sah er am Himmel zwei dunkle Flecken. Zwei große Vögel, die vor dem endlosen Blau des Himmels ihre Bahnen zogen.
»Ich habe nur getan, was verabredet war«, erklärte er schließlich.
»Wohl wahr. Aber Ihre Freunde haben nicht einmal das getan.«
»Deshalb bin ich hier und fahre einem festen Strick entgegen, während sie sich ins Fäustchen lachen.«
Jetzt drehte der Leutnant sich um und bedachte Jaquento mit einem prüfenden Blick.
»Ja, das Leben ist oft verdammt ungerecht, nicht wahr?«
Darauf antwortete der junge Hiscadi nicht. Noch immer war er sich nicht sicher, ob er verspottet wurde.
»Aber«, fuhr Cudden fort, »man muss es eben so nehmen. Was anderes bleibt uns wohl kaum übrig.«
Nach diesen weisen Worten schritt er wieder voran und führte Jaquento zum Heck der Mantikor . Als sie den Heckaufbau
betraten, mussten sich Jaquentos Augen erst wieder an das Dämmerlicht gewöhnen, als würden sie das grelle Licht an Deck als normal empfinden, obwohl er seit Tagen in der Brig gefangen gewesen war.
Der Leutnant klopfte an eine niedrige Tür. Bevor er sie jedoch öffnete, blickte er Jaquento noch einmal an.
»Warten Sie die Zukunft ab. Als Seemann sollten Sie dies eigentlich wissen: Auf hoher See und vor Gericht liegt das Schicksal allein in der Einheit Hand.«
SINAO
Das Gefühl einfach Schmerz zu nennen wäre ihm nicht gerecht geworden. Es war vielmehr
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