Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
des Erbrochenen stieg Sinao erneut in die Nase, und sie würgte ein wenig. Sie drehte den Kopf zur Seite.
»Ich mache mal eben sauber«, erklärte Manoel und begann, mit einem schmutzigen Lappen über den Boden zu wischen.
Nach kurzer Zeit gab er seufzend auf und kletterte geschickt wie ein Äffchen eine steile Leiter empor. Kurze Zeit später kehrte er mit einem Spaten auf dem Rücken wieder und grub ein Loch in den fest gestampften Erdboden. Dann schaufelte er das Erbrochene samt einem guten Stück Erde hinein und schlug die Erde schließlich flach. Zufrieden sah er Sinao an.
»Gar nicht schlecht, was?«
Sie nickte matt. Langsam klangen die Schmerzen ab, wichen einer dumpfen, alles umfassenden Erschöpfung, die ihren ganzen Körper durchdrang, sich in ihren Knochen festsetzte. Es war ihr, als sei sie viele Stunden geschwommen, als habe sie all ihre Kraft aufgebraucht.
Ihr Geist und ihr Herz waren getroffen, und sie sehnte sich nach dem Vergessen des Schlafes. Doch obwohl sie eine tiefe Müdigkeit verspürte, wusste sie, dass ihr der Schlaf fernbleiben würde. Ihre Gedanken waren unruhig, ebenso ihr Herz.
»Eigentlich hasse ich körperliche Arbeit«, erzählte Manoel im Plauderton, als er sich wieder neben sie hockte. »Aber manchmal kann sie schon nützlich sein, das muss ich zugeben.«
»Warum hast du gerade nicht gezaubert?«
»Weil ich nur ungern schon wieder Besuch von den Thayns bekommen hätte. Unsere kleine Vorstellung hat sie sicherlich aufgeregt. Vermutlich durchstreifen gerade Patrouillen die Stadt auf der Suche nach uns, und es würde mich nicht wundern, wenn sie ihre Maestre und Caserdote von den Schiffen abgezogen hätten. Wenn ich jetzt mit Vigoris spiele, dann finden sie uns so sicher wie ein Rudel Jagdhunde zwei Hasen.«
Vorsichtig trank Sinao noch einen Schluck Wasser aus dem Krug. Für einen Moment war ihr Kopf klarer, doch dann war
es ihr wieder, als sei sie durch eine dicke Nebelbank von der Welt getrennt und erlebe alles nur aus zweiter Hand. Sie sank langsam zur Seite, bis sie an Manoel lehnte. Der junge Maestre legte den Arm um sie und strich ihr einige Haare aus dem Gesicht. Sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren, warm und angenehm.
»Erzähl mir was«, bat sie leise und schloss die Augen. Sie wollte nicht nachdenken, nicht an den Caserdote und die Soldaten denken, nicht an die Thayns, die sie jagten, nicht an Majagua, und an Hequia erst recht nicht.
»Was soll ich dir erzählen?«
»Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Von den Kaisern?«
»Herrje, Historie, nicht gerade eines meiner besten Fächer auf der Akademie.«
Die Wärme stieg Sinao zu Kopf. Ihre schweren Glieder lagen nun ruhig, ihr Atem ging regelmäßig. Selbst die Erschöpfung war nicht mehr unangenehm, sondern eher wie eine wohlige Decke, in die sie sich einwickeln konnte. Ein Schutz vor der Welt, der sie sich nicht stellen wollte.
»Bevor das Imperium geeint wurde, gab es schon viele mächtige Städte und Reiche«, hub Manoel an. Seine Stimme war ein Singsang, die Worte flossen über Sinao hinweg. »Regiert von den mächtigsten Maestre. Nur dass sie damals noch nicht so hießen. Eher Magier oder Zauberer. Hexenmeister wurden sie auch genannt.
Jedenfalls gab es oft Krieg, und die Vorgänger der Nigromantenkaiser sandten Menschen und allerlei seltsame Kreaturen in die Schlacht, sie hauchten Statuen Leben ein oder schufen zerstörerische Wesen aus der Macht der Elemente. Im Laufe der Kriege wurde eine Stadt immer mächtiger: Forezza. Anders als in den anderen Reichen, stand hier nicht ein Herrscher an der Spitze, sondern eine ganze, nun ja, Gruppe von Herrschern. Alles Maestre, alle mächtig, die aus ihrer
Mitte einen Anführer wählten. Vielleicht war es die gebündelte Macht, die alle anderen überwältigte, jedenfalls eroberten die Legionen von Forezza Stadt um Stadt, Land um Land. Sie warfen die Wilden im Osten nieder, die mit ihren Tieren durch das Land streiften. Sie rissen alle Inseln des Südens an sich, und sogar die Heimat der Thayns wurde unterworfen. Das Forezzische Reich erstreckte sich über ganz Corbane.«
Schläfrig fragte sich Sinao, wie groß Corbane wohl sein musste. Sie hatte nur wenige Inseln in ihrem Leben gesehen, aber keine hätte so vielen Menschen eine Heimat sein können, wie Corbaner in die Sturmwelt gekommen waren. Der Kontinent musste riesig sein, viel größer als jede Insel der Sturmwelt, und voller Menschen.
»Im Süden trafen sie auf die Armeen der Magiermoguln, mit denen sie
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