Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Ausguck »Segel voraus« rief, löste sich die Spannung. In der folgenden Aufregung war die kleine Echse fürs Erste vergessen.
THYRANE
Die Situation erinnerte den Admiral an die Vorbereitung eines Gefechts, wenn Schiffe sich stundenlang einander annäherten, und jeder wusste, dass bald die Hölle losbrechen würde.
Anders als Admiral Holt ließ sich der Laerd-Protektor der überseeischen Besitztümer der Thaynrisch-Kolonialen Handelscompagnie keineswegs durch Worte aus der Fassung oder auch nur aus dem Konzept bringen.
»Um es noch einmal zu wiederholen, Admiral: Die Korvette ist nach minimalen Reparaturen wieder in Dienst genommen worden. Da weder militärische noch zivile Autoritäten Anklage gegen die Besatzungsmitglieder erhoben haben, erschien es mir nicht sinnvoll, das Schiff nicht wieder einzusetzen.«
Der Hinweis auf zivile Autoritäten klang wie blanker Hohn in Thyranes Ohren; immerhin stellte die Compagnie den größten Teil der Verwaltung in der Sturmwelt, und er konnte getrost davon ausgehen, dass ihr Einfluss auf den Gouverneur und seine Untergebenen erheblich sein dürfte. Langsam trank er einen Schluck des außergewöhnlich schmackhaften Branntweins, den Gleckham ihm hatte servieren lassen. Zumindest als Gastgeber war der Mann herausragend, und Thyrane fühlte sich gut beraten, die Annehmlichkeiten auszukosten, selbst wenn er das Oberhaupt der Compagnie in diesem Teil der Welt für eine gefährliche Natter hielt.
»Darf ich offen sprechen, Thay?«, fragte der Admiral in verschwörerischem Tonfall, und Gleckham hob einladend die Hand: »Ich bitte darum.«
»Ich glaube, alle Vorwürfe bezüglich der Siedlung auf dieser Insel sind wahr. Vielleicht war es ein findiger Aufseher, der allein gehandelt hat, vielleicht gab es Deckung durch die Vorgesetzten. Das ist mir relativ egal. Aber es werden Verantwortliche dafür geradestehen müssen, Thay, und ich schlage vor, dass sich die Handelscompagnie um die Aufklärung der Angelegenheit in vollem Umfang bemüht.«
»Wäre das nicht eher die Aufgabe der zivilen Stellen?«
»Was Sie nicht in die Wege leiten, wird zu meiner Aufgabe werden, Protektor. Wenn ich mich dazu gezwungen sehe, werde ich diese ganze unangenehme Angelegenheit aufklären und ans Licht der Öffentlichkeit zerren.«
»Ist das eine Drohung?«, fragte Gleckham im Tonfall ehrlicher Entrüstung, doch seine ausdruckslose Miene war ein Hinweis auf seine wahren Gefühle. Dieser Mann würde nichts zugeben, bis er dazu gezwungen wurde, und er war sich seiner Position und Macht bewusst. Noch dazu ahnte er, dass es nicht Thyranes Mission war, das geheimnisvolle Schicksal einiger Paranao aufzuklären.
»Das ist ein Versprechen, Thay, und Sie können mir glauben, dass ich mein Wort ernst nehme«, log Thyrane mit, wie er hoffte, ebenso unbewegter Miene. Wieder nahm er einen Schluck, und Gleckham tat es ihm gleich. Schweigen breitete sich zwischen den beiden Männern aus, als sie ihre Optionen abzuschätzen versuchten.
Gleckhams Büro war im imperialen Stil eingerichtet, komplett mit falschen Säulen und Deckengemälden, die in buntesten Farben von den Abenteuern der heidnischen Helden und Gottheiten berichteten. Die dunkelbraune Holztäfelung stand im Kontrast zu den hohen, hellen Fenstern, die dem Raum
trotz der dunklen Einrichtung eine freundliche Atmosphäre verliehen. Edelstes Silberzeug und Gemälde der bekanntesten zeitgenössischen Künstler kündeten vom Reichtum der Compagnie. Es waren hauptsächlich nautische Szenen, die abgebildet waren, stolze Schiffe der Compagnie in allen möglichen Situationen und Seeschlachten.
Hinter Gleckhams Schreibtisch dominierte eine wundervolle, detailgetreue Weltkarte die Wand. Für einen Moment folgte Thyranes Blick dort all den Routen, die er im Laufe seines Lebens gesegelt war, zu all den fremden und exotischen Orten, an denen er gelebt, geliebt und gekämpft hatte. Er ließ jeden seiner Fingerknöchel knacken und hätte ob des plötzlichen Schmerzes in den alten Gelenken fast aufgestöhnt .
»Was verlangen Sie, Admiral?«
Also bekommt er doch kalte Füße, wenn die See an Deck schwappt , dachte Thyrane bei sich, während er antwortete: »Die Compagnie gesteht ihre Schuld ein und leistet den ehemaligen Sklaven Entschädigungszahlungen. Ihnen steht doch zumindest ein Sold für ihre Arbeit zu, nicht wahr? Und wen auch immer Sie dafür als Schuldigen präsentieren, ist mir egal.«
»Aber das ist doch lächerlich, Thay. Warum sollten wir für ein
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