Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Leutnant.«
Noch während ihren Befehlen Folge geleistet wurde, trat
die Kapitänin an die Reling, abseits der sicherlich neugierig gespitzten Ohren in ihrer Nähe. Wenige Augenblicke später gesellten sich Cudden, Jaquento und der Maureske zu ihr.
»Ist das wieder einer Ihrer Tricks?«, fragte Roxane geradeheraus.
»Nein, Meséra, ich bin sicher, dass das schwarze Schiff, oder zumindest seine Ladung, dort ist, auch wenn ich nicht sagen kann, wer sonst noch mitfährt.«
Roxane musterte den Hiscadi, doch sie fand nichts als Offenheit in seiner Miene. Die Wochen als Gefangener waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen, denn seine Wangen waren hohler als vorher, und unter seinen Augen sah sie dunkle Schatten, aber sein Gesicht war rasiert und seine Kleidung sauber, wohl eine Folge der Zugeständnisse, die sie an die Gefangenen gemacht hatte.
»Woher?«
Es war eine einfache Frage, doch auf die Antwort war sie gespannt. Auch Cudden lehnte sich leicht vor, um besser verstehen zu können. Jaquento strich sich mit der Hand über Mund und Kinn, dann blickte er sich um, als erwarte er, belauscht zu werden. Als er endlich sprach, war seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern: »Ich weiß, dass es seltsam klingt, aber Sinosh weiß es. Die kleine Echse. Die Ihr erschießen lassen wolltet.«
»Die Echse weiß es? Wollen Sie behaupten, dass sie mit Ihnen spricht?«
»Ich weiß, wie das in Euren Ohren klingen muss, Meséra«, erwiderte Jaquento ruhig.
»Denken Sie, es sei so leicht, die Marine Ihrer Majestät zum Besten zu halten, Mann?«, fragte Cudden mit einem überraschten Gesichtsausdruck.
»Keinesfalls. Und deshalb versuche ich es ja auch gar nicht. Glaubt Ihr wirklich, Mesér, dass ich mir keine bessere
Geschichte ausdenken könnte als diese, wenn ich lügen wollte?«
Ärger stieg in Roxane auf. Sie fühlte sich verraten, und die Vorstellung von einem bevorstehenden Kampf und der Jagd nach dem schwarzen Frachter erschien ihr nun töricht. Nichts als dumme Einbildung, und dieser hiscadische Wortverdreher hat mich wieder einmal an der Nase herumgeführt !
Noch schwieg Jaquento, doch seine Stirn war in Falten gelegt. Wieder blickte er um sich, bevor er antwortete: »Nein, natürlich spricht sie nicht. Nicht direkt. Das wäre ja verrückt! Aber sie spürt etwas, deswegen ist sie so aufgeregt. So reagiert sie auf diese seltsame Ladung. Ich gebe zu, Meséra, dass es mehr ein Schuss ins Blaue war, eine Vermutung, aber je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir in dieser Sache.«
Noch blieb Roxane skeptisch, aber sie wollte ihm vertrauen. Er musste in dieser Sache einfach die Wahrheit sagen. Wenn das schwarze Schiff wirklich vor ihnen war, dann lag hier die Möglichkeit, ihr Schicksal doch noch zu verändern.
»Zu dieser … dieser Echse. Bringen Sie das Tier unter Kontrolle, oder der Leutnant wird sich doch noch darum kümmern«, sagte sie schließlich, um vom Widerstreit ihrer Gefühle abzulenken.
»Selbstverständlich, Meséra, ich werde mein Bestes geben, aber Sinosh hat manchmal seinen eigenen Kopf und …«
»Dies ist ein Kriegsschiff der Königlichen Marine von Thaynric«, unterbrach ihn Roxane. »Das womöglich bald in ein Gefecht fährt. Ich dulde keine Ablenkungen an Bord, und wenn Ihre Kreatur nicht zu bändigen ist, dann werden wir Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit von Schiff und Besatzung zu gewährleisten. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
Seine säuerliche Miene zeigte, dass dies der Fall war, aber er verneigte sich rasch und tief und erwiderte: »Sicher, Meséra.
Ihr seid der Capitane dieses wundervollen Schiffes; Euer Wort ist mir Befehl!«
Er schien plötzlich seine Fähigkeit verloren zu haben, Thaynrisch ohne Akzent zu sprechen, denn nun lag mehr als nur ein Hauch Hiscadisch in seinen Worten, und er wirkte, wie man sich in Loidin hiscadische Landadlige vorstellte, sein ganzes Gebaren von einer solch übertriebenen und offensichtlich falschen Grandezza, dass Roxane beinahe geschmunzelt hätte. Stattdessen jedoch kniff sie die Augen zusammen und wandte sich dann an Cudden: »Unsere Gäste bleiben für den Augenblick auf dem Achterdeck. Stellen Sie einen Ihrer Leute zu ihrer Bewachung ab, bis ich weitere Instruktionen erteile. Und versorgen Sie Ihre Soldaten mit allem, was sie für ein Gefecht benötigen, Thay.«
»Aye, aye, Thay!«
Noch einmal setzte Roxane das Fernrohr an. Jetzt konnte sie auch einzelne Segel am Horizont ausmachen, vier Schiffe, die in loser
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