Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Formation fuhren. Mindestens zwei Vollschiffe, aber noch waren sie zu weit entfernt, um Einzelheiten zu erkennen. Sie ertappte sich dabei, wie sie im Geist inbrünstig die Einheit darum bat, dass es tatsächlich die Totwey und die Todsünde waren.
Unvermittelt keuchte der Rudergänger auf, als die kleine, gelbe Echse vom Besanmast auf dem Besanbaum landete, diesen geschickt entlanghuschte und dann todesmutig auf Jaquentos Schulter sprang. Obwohl der junge Hiscadi für einen Moment ebenso überrascht wirkte wie alle anderen, fing er sich schnell und winkte Roxane zu, als handele es sich nur um ein einfaches Dressurstück.
Die Kapitänin beachtete ihn nicht weiter, sondern rief Tola zu sich.
»Leutnant, klar Schiff zum Gefecht.«
Ihre Stimme blieb trotz der Bedeutung der Worte ruhig.
Auch Tola schluckte nur kurz, bevor sie salutierte und den Befehl weitergab. Bootsmannspfeifen ertönten, Trommeln wurden geschlagen, als die Mantikor die Routine der Überfahrt abschüttelte wie eine alte Decke und von einem einfachen Schiff zu einer tödlichen Waffe wurde. Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Befehl noch einmal gebe .
Mit einem Auge beobachtete Roxane die fremden Schiffe, mit dem anderen die Vorbereitungen auf ihrem Schiff. Obwohl es dem Unkundigen wie reinstes Chaos erscheinen musste, griffen die vielen kleinen Rädchen perfekt ineinander, und zumindest dafür konnte die Kapitänin ihrem Vorgänger danken. Wenn auch sonst für nicht viel . Harfell hatte die Besatzung gut gedrillt, und unter seiner Ägide waren die Männer und Frauen zu einer reibungslos funktionierenden Maschinerie des Krieges geworden.
»Leutnant, wie steht es um die Neuen?«, erkundigte sich Roxane, als ihr die ehemaligen Handelsfahrer wieder in den Sinn kamen.
»Ein oder zwei ganz brauchbare dabei, Thay«, erwiderte Tola in einem Tonfall, der sie um Jahre älter wirken ließ. »Aber der Rest kann derzeit bestenfalls an Tauen ziehen.«
Ich hätte mehr Manöver fahren und mehr Geschützdrille durchführen lassen sollen, erkannte Roxane. Aber ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt und habe mich darauf verlassen, dass diese Überfahrt bloße Routine sein würde. Dafür werden andere den Preis zahlen, wenn es hart auf hart kommt .
»Sorgen Sie dafür, dass die Untauglichen unter Deck bleiben und der Ärztin zur Hand gehen. Wir können es nicht gebrauchen, dass sie uns im Gefecht im Weg stehen, nicht wahr?«
»Aye, aye, Thay!«
Im Lazarett würden sie zumindest halbwegs sicher sein, und wenn es zum Gefecht kam, würde Tabard jede Hand gebrauchen
können, die ein zitterndes Gliedmaß festhielt, während sie die Knochensäge ansetzte.
»Und lassen sie beide Breitseiten doppelt bestücken. Bei den neueren Stücken auch dreifach. Sparen Sie mir nicht an Pulver und Kugeln, Leutnant.«
Inzwischen hatte die Mantikor sich der Küste und den vermutlich feindlichen Schiffen weiter genähert. Die kleine Flottille fuhr nach Norden, und Roxane ließ die Fregatte einen Kurs setzen, der sie abfangen würde. Immer wieder starrte sie durch das Fernrohr. Zunächst konnte sie kaum glauben, was sie sah, aber je näher sie kamen, desto größer wurde ihre Gewissheit.
»Der Hiscadi und seine wahrsagende Echse hatten recht«, befand sie leise bei sich. Die Schiffe fuhren in einer Linie, und im Zentrum befanden sich eine Schwarzbrunn-Fregatte und ein kleineres, schlankeres Schiff – Totwey und Todsünde . Doch es waren die beiden Begleiter, die Roxane zu denken gaben; zwei Fregatten unter vollen Segeln, die das ungleiche Paar flankierten. Selbst wenn sie davon ausging, dass die Schwarzbrunn-Fregatte nicht in den Kampf eingreifen und eine Breitseite der Todsünde der Mantikor kaum zur Gefahr werden konnte, blieb ein deutliches Ungleichgewicht, und wenn auch nur eine der Fregatten dort neueren Datums als die ehrwürdige Mantikor war, verschob es sich weiter zu ihren Ungunsten.
»Leutnant Levman, kommen Sie bitte.« Roxane reichte ihr das Fernrohr. »Dort. Zwei Fregatten, dieses Piratenschiff und unser Ziel. Unser Gefangener hat die Wahrheit gesagt.«
»Kaum zu glauben«, murmelte Tola, während sie sich die Szenerie ansah.
»Wir haben ein Problem.«
»Thay?«
»Unser Feind ist uns am reinen Gewicht der Breitseite überlegen. Wir müssen diesen Nachteil ausgleichen, wenn wir Erfolg
haben wollen. Ich habe bereits einen Gefechtsplan, aber ich benötige Sie für die Ausführung. Sie müssen ihn genau überwachen, da wir uns keine Fehler leisten können.
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