Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
angebliches Verbrechen Buße tun, für das wir nicht einmal angeklagt wurden?«
Seufzend stellte der Admiral sein Glas ab und erhob sich. Er lächelte und hob die Hand zum Gruß. »Dann ist alles gesagt, ehrenwerter Laerd-Protektor. Wenn sich die Compagnie keiner Schuld bewusst ist, kann sie meinen Untersuchungen ja mit reinem Gewissen entgegensehen. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag, Thay.«
Noch bevor er die Tür erreicht hatte, räusperte sich Gleckham vernehmlich. Als wäre er verwundert, wandte Thyrane sich um. Der Protektor strich sich mit der Hand über die Stirn,
wobei seine weiße, kunstvoll gerollte Perücke leicht verrutschte. Es war das erste Zeichen von Unsicherheit, das der Admiral entdecken konnte, und er war froh, dass sein Gegenspieler in dieser Situation doch menschliche Schwächen zeigte.
»Sie akzeptieren jeden Verantwortlichen, den wir präsentieren?«
»Ich glaube, dass Sie und die Ihren viel besser als ich in der Lage sind, diese unschönen Ereignisse zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen, Thay. Wenn Sie zu einem Ergebnis kommen, wer sollte daran zweifeln?«
»Gut, gut«, entgegnete Gleckham und nickte steif. »Ich werde eine Untersuchung anordnen. Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass Angehörige der Handelscompagnie sich eines Fehlverhaltens schuldig gemacht haben, werden wir natürlich dafür geradestehen.«
»Natürlich.«
»Dann sind wir uns einig, Admiral. Ihr Sinn für Gerechtigkeit ist wahrhaft bewundernswert.«
Gleckham lächelte und hob sein Glas zu einem Toast. Thyrane tat es ihm gleich.
»Auf die Königin«, prostete er. »Und auf die Gerechtigkeit.«
Der Protektor erwiderte die Worte, ohne dass das dünne Lächeln um seine Lippen schwand. Einst hätte Thyrane gegen die Arroganz des Mannes gewettert, hätte restlose Aufklärung verlangt – und wäre gescheitert. Der Kompromiss war das Beste, was er erreichen konnte, ohne tatsächlich selbst tätig zu werden, so viel wusste er. Niemals hätte Gleckham einer vollständigen Untersuchung zustimmen können, da der Schaden an der Reputation der Compagnie – und damit auch an seiner eigenen – zu groß hätte werden können. Aber einige Sündenböcke zu finden, vermutlich gleich unter den Gefallenen auf der Sklaveninsel, war eine Konzession, die er machen
konnte. Vermutlich wird er das Ganze noch in einen Vorteil verwandeln. Er ist in diesem Spiel gewiefter als Holt, der nur den Gesichtsverlust sehen würde. Wahrscheinlich arbeitet sein Hirn schon daran, wie er die ganze Angelegenheit so darstellen kann, dass die Compagnie zum Schluss als patriotisch und gut aufgestellt auftreten kann . Aber das war Thyrane egal. Er hatte getan, was er tun konnte. Den befreiten Sklaven würde geholfen werden, aus welchen Gründen auch immer. Und die Compagnie würde ihre Schuld eingestehen.
»Gibt es sonst noch was, Admiral? Ich muss das sofort in die Wege leiten und bin daher bereits in Eile. Sie verstehen doch sicher, nicht wahr?«
»Das versteht sich von selbst, Thay. Ich denke, wir sind so weit fertig«, erwiderte Thyrane und nickte dem Protektor zu. Dann jedoch fügte er an: »Eine Sache noch …«
»Ja?«
»Woher kamen die Korvetten und der Sturmweltfahrer?«
Es war ihm eine Freude zu sehen, wie Gleckham die Gesichtszüge doch noch für den Bruchteil eines Augenblicks entglitten.
ROXANE
Es kostete Roxane Mühe, nicht vor der Besatzung die Beherrschung zu verlieren. Sie grub hinter ihrem Rücken die Finger einer Hand so fest in die Fläche der anderen, dass es schmerzte. Dann blickte sie empor.
»Meldung!«
»Drei … nein vier Schiffe, Thay. Steuerbord voraus, direkt an der Küste«, antwortete der Toppsgast aus dem Krähennest. Ohne auf die zahlreichen Blicke zu achten, die auf sie gerichtet waren, griff Roxane nach ihrem Fernrohr und suchte den Horizont ab. Tatsächlich fand sie einen kleinen hellen Fleck vor der dunklen Küste, von ihrer Warte aus noch nicht als Flottille zu erkennen, geschweige denn als einzelne Schiffe. Aber dort war definitiv etwas, und Roxanes Herz schlug schneller. Obwohl sie keine Details ausmachen konnte, wusste sie einfach, dass Jaquento recht hatte; sie konnte es im Wind schmecken, in den Wellen sehen, im Gieren der Fregatte spüren. Um sie herum zog sich etwas zusammen, und ihr Kampfgeist erwachte.
»Steuermann, zwei Grad steuerbord«, befahl sie, dann wandte sie sich an Cudden: »Erweisen Sie mir bitte die Freundlichkeit, unsere beiden Gefangenen auf das Poopdeck zu bringen,
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