Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
kümmerte sich nicht um die Thayns. Alles, wofür sie gearbeitet hatte, drohte mit der Totwey zu versinken, und wenn die See es erst geschluckt hatte, würde es fast unmöglich werden, es wiederzuerlangen.
»Können wir sie schleppen?«
»Was, den dicken Kahn? Nie im Leben. Sie würde uns nur mit sich ziehen. Wir müssen schon so unser ganzes Geschick aufbringen, um von dieser Küste zu entkommen.«
»Dann ist sie verloren?«
»Wenn Rahel nicht eine Möglichkeit findet, Herrin der Lage zu werden, ja.«
Der Capitane strich sich über den Bart, dann blickte er zu ihren eigenen Masten empor.
»Dicht ranholen, habe ich gesagt! Verdammt noch mal, seid ihr Seeleute oder eine Horde Affen?«
Ihn schien das Schicksal der Totwey nicht zu kümmern, also sagte Tareisa mit Nachdruck: »Wir müssen die Ladung retten.«
»Werte Dame, Ihr seid aufgebracht, und ich verstehe das. Aber derzeit befinden wir uns selbst in einer wenig beneidenswerten
Situation. Die Thayns haben uns nah an die Küste gejagt. Vielleicht wussten sie ja, dass dies ihr letzter Akt sein würde. So, wie es aussieht, werden bald vier Schiffe an diesen ungastlichen Klippen zerschellen. Ich sorge hier dafür, dass es nicht fünf werden.«
Wütend funkelte Tareisa ihn an.
»Bedeuten Euch Eure eigenen Leute so wenig?«
Er hielt ihrem Blick ungerührt stand.
»Sie sind Seeleute, so wie ich. Sie kennen die Gefahren. Rahel wird ihr Bestes geben, um das Schiff zu retten. Oder wenigstens meine Leute.«
»Dies ist kein Spiel, Capitane. Der Verlust der Ladung würde Konsequenzen haben, die keiner von uns beiden gern tragen würde. Unser Auftrag lautet, sie in Sicherheit zu bringen, non?«
Seine Finger trommelten auf der Reling. Unvermittelt wurde sich die Maestra der Situation bewusst. Sie war allein an Bord dieses Schiffes, diesem Mann komplett ausgeliefert. Solange die Totwey noch in ihrer Nähe war, konnte sie sich kaum verteidigen, geschweige denn fliehen. Im Stillen flehte sie zu einer Göttin, an die sie nicht glaubte, dass Deguay nicht ahnte, wie wenig sie ihm in diesem Moment wirklich entgegenzusetzen hatte.
Seine Züge verrieten sein Missfallen, aber schließlich neigte er das Haupt. »Gut, wie Ihr wünscht, werte Dame. Ich werde sehen, was möglich ist, ohne uns allzu sehr in weitere Gefahr zu bringen. Seht es als eine Art Freundschaftsdienst an, zusätzlich zu allem, was ich bereits für Euch getan habe.«
Tareisa neigte ebenfalls das Haupt und lächelte kühl. »Wir sind Euch zu Dank verpflichtet, Capitane.«
Ohne zu antworten, wandte Deguay sich ab. »Hilrica, lass die Boote klarmachen. Und bereite alles für eine Wende vor. Wir werden versuchen, diesem verfluchten
Wind noch ein wenig Raum abzutrotzen. Und wir holen unsere Leute von diesem Pott da runter, also legt euch gleich in die Riemen, meine Teuren!«
Die letzten Worte wurden von ihm laut gerufen, und als die Mannschaft verstand, dass sie ihre Kameraden von dem schon verloren geglaubten Schiff retten würden, jubelten einige. Der Capitane ist gut darin, seinen Untergebenen zu gefallen , erkannte Tareisa. Auch wenn er selbst wenig für sie empfindet. Loyalität ist ein seltenes Gut. Aus diesem Grund hatte die Maestra es stets vorgezogen, allein zu arbeiten. Sicher, sie hatte dienstbare Geister genutzt, andere für sich eingesetzt, geschickt die Fäden gesponnen, um lästige Arbeit von anderen Händen als den ihren verrichten zu lassen. Aber echte Verbündete oder gar Freunde hatte sie stets eher als potenzielles Hindernis denn als nützliches Instrument gesehen. Der alte Mann hatte sie gelehrt, dass sie Schwäche bedeuteten. Aber als sie nun Deguays Mannschaft betrachtete, die ihrem Capitane in allen Dingen zu folgen gewillt war, fragte sie sich, ob diese Einstellung womöglich ein Fehler gewesen war.
JAQUENTO
Die Bedeutung von Roxanes Worten traf Jaquento mit Macht. Es dauerte einen Moment, bis er die Konsequenzen für sich selbst erkennen konnte. Von Bord gehen, vor der hiscadischen Küste. Ich bin frei . Er konnte es kaum fassen und stand innerhalb des nun ausbrechenden Chaos wie entrückt auf dem Achterdeck.
Die Seeleute liefen über das mit Trümmern übersäte Deck. Einige machten sich am Bug zu schaffen, der von den Wellen immer weiter in Richtung Küste gedrückt wurde, andere legten Taue in das Gangspill ein. Doch schon jetzt sah Jaquento, wie eine Handvoll Matrosen mit Fässern und sonstigem schwimmfähigem Material in der Hand über Bord sprangen.
»Sorgen Sie für
Weitere Kostenlose Bücher