Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
einem Kurs parallel zur Küste, und die Todsünde folgte direkt darauf. Sie hoffen auf den Durchbruch , erkannte Jaquento, dessen Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren.
Nur noch fünfzig Meter trennten die Schiffe, dann vierzig, dann war die Totwey auf gleicher Höhe.
»Feuer!«
Die Mantikor brüllte wie ihr Namensgeber auf, spuckte Eisen und Feuer in Richtung des schwarzen Schiffes. Der Rumpf ihres Feindes wurde mit Einschlägen übersät, der Achteraufbau von mehreren Treffern regelrecht zerschlagen. Die dünnen Bordwände des Handelsschiffes konnten der Macht der Breitseite nichts entgegensetzen, und die Zerstörung war ungeheuerlich.
Dann war die Totwey vorbei.
»Feuer nach Belieben! Gebt es ihnen hart!«
Die Todsünde war kein Kriegsschiff, aber sie war besser für den Kampf gerüstet. Jaquento verlor die Totwey aus den Augen, als Deguays Schiff längsseits ging. Die Piraten brüllten, schrien ihre Verachtung und ihren Widerstand heraus. Und feuerten zuerst.
Die Mantikor erbebte unter den Treffern. Splitter rasten durch Jaquentos Gesichtsfeld, Schreie ertönten, ein armlanges Stück Holz segelte trügerisch langsam an dem jungen Hiscadi vorbei.
Die Fregatte beantwortete die Salve, zahlte die Treffer mit gleicher Münze heim, aber das Piratenschiff konnte mehr einstecken als die Totwey .
Und es machte mehr Fahrt und setzte sich vor die Fregatte, bevor sie noch eine zweite Salve abfeuern konnten. Atemlos blickte Jaquento den Schiffen hinterher. Sie dürfen nicht entkommen ! Wie zur Antwort drehte das schwarze Schiff sich in den Wind. Die Segel schlugen unkontrolliert gegen die Masten, und die Totwey wurde unweigerlich in Richtung Küste getrieben.
»Ja!«, brüllte er triumphierend auf.
Ein Ruck ging durch die Mantikor , ein tiefes, gequältes Ächzen. Mit einem Mal ritt sie nicht mehr auf den Wellen, sondern wurde zu deren Spielball. Das Deck bockte unter Jaquentos Füßen, warf ihn beinahe zu Boden. Auch Bihrâd taumelte, stützte sich jedoch an der Reling ab, ebenso Roxane, deren blutgetränktes Tuch durch die Luft segelte, als sie wild nach Halt suchte.
»Was, bei allen Geistern der Tiefe, ist geschehen?«, keuchte Jaquento, als er seine Balance wiederfand. Sinosh ließ vom Anblick des schwarzen Schiffs ab und sprang auf seine Schulter.
Das Schiff hat das Ruder verloren , erklang die Stimme der kleinen Echse in seinem Geist. Sofort sah Jaquento zu der bedrohlich nahen Küste. Ohne Kontrolle über das Ruder würde der Wind sie gegen die Klippen drücken und sie an diesen zerschmettern, als wäre die Fregatte aus Papier, wenn sie nicht allein mit den Segeln steuern konnten.
Vorn sprach Roxane in hektischem Tonfall mit der neuen Rudergängerin, die das große Steuerrad drehte, offensichtlich ohne dass es ihr Widerstand bot. Noch einmal blickte Jaquento zur Totwey , die ebenfalls hilflos der Gnade von Wind und Wellen ausgesetzt war.
Leutnant Cudden kam auf das Achterdeck gerannt. Sein Uniformrock war vom Pulver geschwärzt, und sein Antlitz war rußig grau, aber sonst schien er unverletzt zu sein.
»Käpt’n?«
Roxane blickte sich um, sah zu den beiden Schiffen der Feinde, zu den beiden Fregatten, die ebenfalls verzweifelt gegen die Macht des Meeres kämpften, sah hoch zu den Masten, die ihrer Fregatte noch geblieben waren, dann schüttelte sie resigniert den Kopf.
»Treibanker fertig machen«, befahl sie. »Bringt die Verwundeten an Deck. Holt die Boote ein.«
Sie schluckte sichtlich.
»Wir verlassen das Schiff!«
TAREISA
Erst als das Schiff an der Fregatte vorbeigezogen war, wagte die Maestra aufzuatmen. Sie hatte schon genügend Schlachten erlebt und, wichtiger noch, überlebt, und konnte dem Kriegsgetümmel nichts abgewinnen. Der Kampf an Bord von Schiffen war ihr besonders zuwider. Die Enge, die Abhängigkeit von Wind und See.
»Verfluchte Bastarde«, brüllte Deguay, der sich gerade einen langen Holzsplitter aus seinem Gehrock zog. Das spitze Geschoss war nur durch den Stoff gedrungen, aber der Capitane betrachtete es, als hätte es sein Herz aufgespießt. Doch ihm blieb kaum Zeit, das ruinierte Kleidungsstück zu betrauern, denn der Wind drückte die Todsünde immer weiter an die Küste, und die Breitseite der Thayns hatte wüste Zerstörung angerichtet. Anders als Tareisa hatte er den Einschlag stehend überstanden und lief nun auf und ab, die ganze Zeit Befehle rufend: »Kappt die beiden Taue, ihr faules Pack! Und holt das Segel ein, sonst reißt es noch ganz! Ruder drei Strich
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