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Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste

Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste

Titel: Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Natursteinwand gelehnt, wo der halbwilde Efeu sie nicht für sich beansprucht hatte. Sie blickten Franigo fragend an, und er nickte. Es war gut, immer einen Doktor in der Nähe zu haben, wenn man mit scharfen Klingen aufeinander losging.
    »Er wird Euch bezahlen, Mesér«, rief der Dichter ihnen nach, als sie den Hof betraten. Um seinen Kontrahenten machte er sich keine Sorgen; die Wunde war nicht tief, ein sauberer Stich. Schmerzhaft sicherlich, aber kaum lebensbedrohlich, wenn der Arzt sein Handwerk verstand.
    Beschwingten Schrittes schlenderte Franigo durch die düsteren Gassen. In diesem Teil von Sargona standen die alten Häuser so dicht, dass sich ihre Giebel fast über den schmalen Straßen und Gässchen berührten und selbst an sonnigen Tagen nur wenig Licht den Boden erreichte. Hier gab es abgelegene Hinterhöfe, in denen zwei Männer noch ihre Ehrenhändel austragen konnten, ohne von neugierigen Soldaten oder Gendarmen aufgespürt zu werden.
    Außerdem gab es in dem Viertel auch noch eine ganze Reihe schmieriger Kaschemmen, die billigsten Wein anboten. Eigentlich entsprach das weniger Franigos Geschmack, aber zumindest verirrten sich keine ehrbaren Bürger dorthin, deren Gesellschaft er in letzter Zeit zu oft ertragen musste.

    Einige der Revolutionäre begannen bereits, sich auch als Tugendwächter aufzuspielen, und forderten, die Tavernen im Land zu schließen oder stark zu reglementieren, um den Weinkonsum der Bevölkerung rigoros einzuschränken, da nur ein nüchterner Revolutionär der guten Sache förderlich sei. Deshalb schlich Franigo immer wieder an diese Orte, die er noch gut aus früheren Tagen kannte und an denen man ihn verschwiegen und wissend begrüßte.
    Genau so ein Etablissement war »Der goldene Stich«. Nichts an dem unscheinbaren Gebäude deutete auch nur an, dass man hinter der schiefen Tür einen Gastraum finden konnte. Der namensgebende Stich, eine Karte der Stadt, hatte natürlich mit Gold nichts zu tun, sonst hätte ihn sein Besitzer längst verkauft, sondern war lediglich ein vergilbtes, eingerissenes Stück Papier an der Wand hinter der Theke. Franigo trat in den Schankraum, zog den Hut vom Kopf, blickte sich ruhig um und nickte dem Wirt grüßend zu. Nach dem Kampf dürstete es ihn nach Wein und Gesellschaft, vornehmlich weiblicher, aber zur ersten Karaffe würde es auch eine Handvoll der rauen Gesellen tun, die an den Tischen saßen und tranken, als wollten sie nicht nur ihre eigene Vergangenheit vergessen, sondern gleich die aller Anwesenden im Raum.
    Doch bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, wurde die Tür aufgerissen, und ein junger Bursche stürmte in die Gaststube. Schnelle, aufgeregte Bewegungen an diesem Ort waren kein allzu guter Plan, denn keiner der Gäste hatte Lust, sich vor einem Revolutionstribunal wegen Trunkenheit zu verantworten. Zu schnell erwuchs in den heutigen Zeiten eine Anschuldigung aus der anderen, und bevor man sich’s versah, baumelten die eigenen Stiefelspitzen vier Handbreit über dem Boden.
    Aus den Augenwinkeln sah Franigo, dass sich einige der nervöseren Besucher bereits erhoben hatten. Erst, als sie erkannten,
dass von dem jungen Mann keine Gefahr ausging, setzten sie sich wieder, als sei nichts geschehen.
    Das Gesicht des Burschen mit den hellen Augen und dem nur spärlich sprießenden Bartflaum kam dem Poeten vage bekannt vor. Also überraschte es ihn nur wenig, als der Junge sich an ihn wandte: »Mesér! Ich habe Euch überall gesucht. Ihr müsst dringend mitkommen!«
    Da dies in etwa das Letzte war, was Franigo zu tun beabsichtigte, zog er fragend eine Augenbraue hoch, ein Mienenspiel, das er ausgiebig vor dem Spiegel geübt hatte, bis er sich seiner Wirkung sicher war.
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Sie haben ihn verhaftet. Wegen Hochverrats, Mesér!«
    »Wen, verflucht noch mal?«
    »Alserras.«

ROXANE

    Auf den ersten Blick waren es nicht mehr als Linien, Zahlen und Worte in winziger Schrift, die sich auf dem gewachsten Blatt Papier befanden, das Roxane auf dem Tisch ihrer Kajüte ausgerollt hatte. Aber sie sah diese Einzelheiten kaum; für ihr Auge enthüllte die nautische Karte bereits die wahrscheinlichste Route der Siorys . Ihr Finger fuhr über das Papier, und sie begann, im Kopf Kurse und Zeiten zu berechnen.
    Der Gedanke an die Drachenküste und an das, was dahinter liegen mochte, hatte eine seltsam zwiespältige Wirkung auf sie. Sie hatte gesehen, was ein Drache gegen ein Schiff ausrichten konnte, hatte den Angriff eines

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