Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
dem linken Ohr ein bisschen schlecht. Und um die paar Tropfen Blut können wir uns später kümmern, das bringt mich schon nicht gleich um.«
»Gut, dann sollten wir diese gastliche Einrichtung wirklich hinter uns lassen«, mischte sich Thyrane in das Gespräch der beiden jungen Leute ein. »Shanton hat mich vielleicht gehen lassen, aber Holt wird sicher nicht gerade erfreut sein, wenn er davon erfährt, dass ich entkommen bin. Und die Compagnie schon gar nicht. Bald wird’s hier von Soldaten nur so wimmeln. Bis dahin sollten wir möglichst längst ganz woanders sein.«
Gemeinsam liefen sie zu dem schmiedeeisernen Tor, das den Eingang zu dem Anwesen bildete. Hier bot sich das gleiche Bild wie an der Tür – keine Menschenseele weit und breit. Sie schlüpften hinaus und betraten die helle, sonnenbeschienene Straße, die hinab nach Lessan führte. Sie folgten der Straße bis zu einer Stelle, an der eine schmale, ungepflasterte Gasse abzweigte und in ein Gewirr aus Häusern, niedrigen Hütten und Verschlägen hineinführte.
»Lieber die Gasse als die Straße«, entschied der Admiral, als Manoel kurz zögerte.
Dass die Entscheidung richtig gewesen war, erwies sich schon wenige Augenblicke später. Sie hatten kaum die nächsten Häuser erreicht, als Manoel zischte: »Dort vorn kommen die Soldaten wieder. Los, in Deckung!«
Er stellte keine Fragen, sondern drängte sich wie die beiden anderen unter einen Türsturz, der im Schatten lag und deshalb von der breiteren Straße aus kaum eingesehen werden konnte
»Und, wie fühlt es sich an?«, raunte Manoel dem Admiral ins Ohr.
Thyrane duckte sich in den Hauseingang und schwieg, bis die Schritte auf der Straße verhallten. Dann erst sah er Manoel an: »Was?«
»Ein von der Marine gesuchter Verbrecher zu sein?«
Der Admiral zuckte mit den Schultern. »Es ist nicht das erste Mal, dass mir so was passiert; gesucht zu werden, meine ich. Nicht dass ich ein Verbrecher wäre. Im Gegenteil, ich stehe auf der richtigen Seite, und die anderen sind die Verbrecher, aber das hast du ja nicht gemeint, nicht wahr?«
Manoel schüttelte den Kopf. Es war offensichtlich, dass er es für amüsant hielt, dass sie nun alle drei von der Obrigkeit gejagt wurden.
»Falls du glaubst, du kannst mich verletzen, Junge, liegst du falsch«, fuhr Thyrane fort, während sie weiter die Gasse hinabgingen, die im Zickzack in Richtung Hafen führte. »Nur weil diese Dinge geschehen, ist das System noch nicht schlecht. Ich habe schon lange genug gelebt, um eine Menge Veränderungen mitzuerleben. Und man wird auch Leute wie Holt und Gleckham aus dem Verkehr ziehen, früher oder später. Wenn ich dabei ein Wörtchen mitzureden habe, eher früher.«
»Dann kommen eben andere«, gab Manoel zu bedenken.
»Das stimmt. Und wieder andere kommen, um sich um sie
zu kümmern. Männer und Frauen, die nicht weglaufen, sondern sich den Fehlern, die eine Institution wie die Marine eben macht, stellen. Und sie ausmerzen.«
»Hört auf!«, mischte sich Sinao erbost ein. »Das ist vielleicht der falsche Moment, um sich zu streiten, oder? Sind wir nicht gerade zusammen auf der Flucht?«
»Stimmt«, erklärte Thyrane nachsichtig.
Der junge Maestre schwieg ebenfalls, was Thyrane ganz recht war. Entgegen seiner Rhetorik fühlte er sich gerade nicht sehr zuversichtlich. Sein ganzer Leib schmerzte, und ohne das Gefühl, dass die Gefahr ihm im Nacken saß, wäre er längst zusammengebrochen. Stattdessen dachte er nun an ihre Flucht aus Lessan.
»Wie seid ihr an Land gekommen?«, fragte er schließlich in versöhnlichem Tonfall.
»Auf die traditionelle Art«, erklärte Manoel, und Sinao fügte hinzu: »Wir sind geschwommen.«
»Sehr geschickt. Wir müssen zurück auf die Imperial . Am besten, bevor sich mein Verschwinden allzu weit herumspricht. Wenn Holt es will, kann er die Fregatte ewig im Hafen festhalten. Aber wenn wir schnell sind, können wir vielleicht durch das Netz schlüpfen, bevor die Maschen zu eng werden.«
»Die Forts …«
»An denen kommen wir vorbei«, unterbrach Thyrane Manoel, »sofern wir schnell genug auf das Schiff gelangen.« Und Holt keinen Feuerbefehl gibt.
Durch eine Lücke zwischen zwei Gebäuden konnten sie auf das Hafenbecken hinabsehen und einen Blick auf die Imperial werfen. Es sah so aus, als ob die Fregatte ganz normal vor Anker liegen würde; Fischerboote und kleinere Schiffe waren in einiger Entfernung von der Imperial an der Kaimauer vertäut.
»Wir müssen einen anderen Weg
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