Sturz Der Engel
ihrer Worte und weil sie das tun, glauben sie, sie könnten mit ihren Worten auch die physische Welt verändern. Sie können aber nur die Gedanken und Gefühle der Menschen beeinflussen und solange diese Menschen keine Schaufeln in die Hand nehmen und irgendeine Art von körperlicher Kraft einsetzen, werden die Worte keine Berge versetzen können.« Als er geendet hatte, blickte der Ingenieur den Tisch hinunter. »Es tut mir Leid, ich sollte nicht so viel reden.«
»Ihr seid ein Magier, von einer anderen Art zwar als die einheimischen, aber Ihr seid ein Magier. Wie könnte ich etwas über das lernen, was Ihr tut, wenn ich Euch nicht zuhöre? Ich kann sehen, was Ihr tut«, Relyn hob die künstliche Hand, »aber ich weiß nicht, was Ihr denkt.«
»Ich glaube nicht, dass meine Gedanken so schrecklich wichtig sind«, widersprach Nylan lachend. »Die Gedanken der Marschallin sind vielleicht wichtig, meine sicher nicht.«
»Ich fürchte, sie hegt große und schreckliche Gedanken.«
Nylan war, was Rybas Gedanken anging, der gleichen Meinung, aber er beschränkte sich darauf zu sagen: »Sie denkt wirklich große Gedanken und sie wird die Welt verändern.«
»Das werdet Ihr auch tun, Magier.«
»Ich? Aber nur insofern, als …« Nylan unterbrach sich. »Nein, das glaube ich nicht.«
Relyn lachte. »Ihr werdet mehr verändern, als Ihr selbst für möglich haltet.« Er stand auf. »Aber ich muss noch weiter nachdenken. Das Nachdenken fällt mir schwerer, als die Klinge zu führen.«
Nylan runzelte die Stirn. »Es spricht doch nichts dagegen, dass Ihr lernt, das Schwert mit der anderen Hand zu führen. Saryn könnte es Euch sicherlich lehren.«
Relyn schien verblüfft. »Ein linkshändiger Schwertkämpfer?«
»Das ist nicht seltsamer als ein Schwarzer Magier«, gab Nylan zurück.
Relyn lachte heiser, dann wandte er sich ab.
Als der einstige Adlige zum Treppenhaus ging und nach oben stieg, sah Nylan sich im inzwischen völlig verlassenen Raum um. Kurz danach stand auch er auf und ging ins unterste Geschoss des Turmes.
In der Küche strahlte eine angenehme Wärme vom Herd aus, in dem große Brotlaibe gebacken wurden. Nylan holte tief Luft und genoss den Duft. Kyseen und Kadran arbeiteten am breiten Tisch, dessen Fläche bereits zahlreiche Narben von Messern aufwies. Sie schnitten Kartoffeln in Scheiben und warfen sie in den größten Kessel. Zur Arbeit trugen sie grob gewirkte Hemden, deren Ärmel sie hochgerollt hatten. Kyseen legte das Messer weg, nahm einen aus Lumpen genähten Schutzhandschuh, öffnete die Ofenklappe und warf zwei Stücke Holz hinein.
»Wir müssen noch etwas kleineres Feuerholz zurechtsägen«, sagte Kyseen zu Kadran, während sie das Feuer im Ofen überprüfte.
Die Wärme, die hier unten herrschte, war sogar am Fuß der Treppe noch zu spüren. Nylan wurde es warm und auf der Stirn sammelten sich ein paar Schweißtropfen. Er öffnete die leichte Uniformjacke.
»Du bist dran«, sagte Kadran zu Kyseen.
»Also gut.«
In Mäntel gehüllt, standen Narliat, Hryessa und Murkassa in der Nische zwischen dem Ofen und der Treppe.
»Narliat und ihr zwei – ihr könnt beim Sägen helfen«, schlug Nylan vor. »Dabei wird Euch vielleicht sogar warm.«
»Da hat er verdammt Recht«, wandte Kyseen sich flüsternd an Kadran, die zustimmend nickte.
»Kyseen wird euch zeigen, was zu tun ist«, erklärte Nylan, bevor er auf die andere Seite des Untergeschosses ging, wo die behelfsmäßige Tischlerei auf ihn wartete. Tischlerei? Für Holz besaß er eigentlich kein ausgeprägtes Gespür, aber er hatte kein Werkzeug, um Metall zu bearbeiten. Bis zum nächsten Winter würde er ein weiteres Gebäude hochziehen, eine kleine Schmiede, in der er irgendwie lernen musste, auf traditionelle Weise Metalle zu bearbeiten. Trotz seiner Ordnungs-Fähigkeiten würde es wohl ein langer Sommer voll schwerer Arbeit werden. Es gab eben viel zu viele Werkzeuge, die in Westwind gebraucht wurden, und viel zu wenig Münzen, um sie zu kaufen. Andererseits stand ihm in den Rümpfen der Landefahrzeuge noch eine Menge Metall zur Verfügung, zu dessen Bearbeitung allerdings seine eigenartige Fähigkeit notwendig war.
Ayrlyn schenkte ihm ein schiefes Lächeln, als er sich den Brettern zuwandte.
»Wo fange ich jetzt an?«, fragte er. Ein Schauder lief ihm den Rücken hinunter, als er daran dachte, dass er womöglich doch noch versuchen musste, auf zwei zurechtgeschnitzten Brettern durch den tiefen Pulverschnee zu
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