Sturz Der Engel
geht, ob gegen Ildyrom oder die Schwarzen Engel, können unsere Feinde keine eigenen Pläne schmieden. Wenn sie nicht planen, werden weniger von unseren Männern getötet. Also mach die Männer einfach bereit und sage ihnen, was ich dir gesagt habe.«
»Ja, Ser.« Rimmur steht nur da und wartet.
Als Terek und Sillek die schmale Treppe zu den oberen Stockwerken des Turms hinaufgehen, räuspert sich der Weiße Magier und sagt schließlich: »Ihr habt keine Andeutung gemacht, Ser …«
»Genau, Terek. Ich habe keine Andeutung gemacht. Ich weiß nicht, welche Arten von Spähgläsern oder Magie die Engel haben. Deshalb wird über meine Entscheidung nicht offen gesprochen, bis wir aufbrechen. Auf diese Weise müssen die Engel und Ildyrom nicht nur raten, wen ich angreifen will, sondern auch wann.«
»Wie Rimmur schon sagte, macht das die Vorbereitungen schwieriger.«
»Terek … eines Tages werden wir ohnehin gegen beide kämpfen müssen. Deshalb bereiten wir uns auf beide Möglichkeiten vor.« Sillek tritt auf den obersten Treppenabsatz hinaus und dreht sich um. »Eure Vorbereitungen werden also nicht vergebens sein.«
»Ja, Ser.« Terek neigt den Kopf.
»Gut.« Sillek dreht sich um und geht den Gang zu Zeldyans Gemächern hinunter.
LXI
D er Nachtwind pfiff um die Fenster des Turms und rüttelte an den Läden im abgetrennten Teil des Raumes, dass kleine Eisbrocken sich lösten und drinnen im fünften Stock auf den Boden fielen. Vom zweiten Stock drang das schwache Weinen eines Kindes herauf, es war Dephnay, aber das Weinen wich rasch den leisen Worten der Mutter, die das Kind stillte und beruhigte.
Auf der etwas wärmeren Seite des obersten Stockwerks im Turm, hinter einer dünnen Tür und den erst vor kurzem eingebauten Trennwänden und Vorhängen ein wenig abgeschirmt, lagen Ryba und Nylan in der Dunkelheit.
Nylans Beine taten weh vom Skilaufen, von den endlosen Versuchen, die kleinen Nagetiere aufzuspüren, die in den Wäldern lebten. Seine Arme und Schultern schmerzten, weil er bei den letzten Übungskämpfen mit Saryn und Ryba im Halbdunkel des vierten Stocks reichlich Prügel hatte einstecken müssen. Die Lungen taten ihm weh, weil die Luft zu kalt war. Sein Bauch grollte, weil er abwechselnd zu viel Fleisch und zu wenig Kohlenhydrate und phasenweise überhaupt kein Essen bekommen hatte. Die Wangen brannten, weil er kurz davor stand, sich ernsthafte Erfrierungen zuzuziehen, und die Finger taten weh, weil er zu lange den Hobel oder das Schnitzmesser geführt hatte.
Trotz der Erschöpfung konnte er nicht schlafen. Er starrte die zusammengeflickten Vorhänge an, die sich, angeregt von den Luftströmungen zwischen den kalten Wänden und der Restwärme in den Ziegeln der Schornsteine, leicht bewegten.
Ryba lag fast reglos auf dem Rücken. Sie hatte die Augen geschlossen und sich eine Wolldecke über den dicken Bauch gezogen.
In der Dunkelheit, in der er dennoch sehen konnte, betrachtete Nylan ihr Profil, das sich scharf und hell abhob wie eine Silbermünze auf schwarzem Samt. Beinahe wirkte sie wie ein ganz normales sybranisches Mädchen. Nichts erinnerte an die herrische Haltung, die sie zeigte, wenn sie wach war.
Woher nahm sie nur die Kraft, gegen solche Widrigkeiten anzukämpfen? Wie hatte sie es geschafft, sich von einem Nomadenkind in der Steppe zu einer der besten Kommandantinnen der Raumflotte zu entwickeln und eine Nation oder eine Tradition zu begründen, die aller Wahrscheinlichkeit nach überdauern würde?
Aber würde sie wirklich überdauern? Und wenn ja, wie lange?
Nylan seufzte leise. Spielte es denn eine Rolle? Ryba würde tun, was sie für richtig hielt oder was ihre Visionen ihr sagten, und im Augenblick gab es ohnehin keine Alternativen. Damit mussten sie sich einfach abfinden, wenn sie überleben wollten. Er wollte die Augen schließen, aber wenn sie geschlossen waren, taten sie noch mehr weh als offen, denn dann kam ein Brennen hinzu, als hätte er Sandkörner unter den Lidern.
Wieder klapperte der Fensterladen auf der anderen Seite, als der Wind um den Turm pfiff. Eiszapfen brachen ab und prallten auf den Holzboden. Sogar das Armaglasfenster quietschte und erzitterte im Wind. Ayrlyn hatte ihm erklärt, dass die Stürme in den nächsten Achttagen zwar heftiger werden würden, dass dies aber die kommende Erwärmung ankündigte.
Draußen war von dieser Erwärmung noch nichts zu sehen. Der Schnee wurde sogar noch tiefer und das Wild noch seltener, das Vieh magerte ab und die
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