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Sturz Der Engel

Titel: Sturz Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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nach dem Essen wegräumen.
    »Zwei Kaninchen? Das ist alles?«, fragte Gerlich, als Nylan langsam zu seinem Platz am Ende des Tisches ging.
    »Ich muss das Jagen erst lernen.« Als Nylan sich schwerfällig setzte und die kalten, nassen Hosen ignorierte, so gut es ging, fragte er: »Wann hast du eigentlich das letzte Mal etwas gefangen?«
    Gerlich lief rot an. »Ich habe einen Hirsch erlegt, kein Kaninchen.«
    »Das war vor mehr als zwei Achttagen«, bemerkte Ayrlyn, als sie sich dem Ingenieur gegenüber niederließ.
    »Und?«, gab Gerlich zurück. »Jetzt ist alles knapp und wir haben wahrscheinlich schon sämtliche Tiere getötet, die dumm genug sind.«
    »Mit dummem Wild allein können wir nicht überleben«, wandte die Sängerin ein.
    »Die Kaninchen ergeben immerhin eine Mahlzeit«, unterbrach Ryba den Streit. »Und jede Mahlzeit hilft.« Sie lächelte Nylan kurz an und in ihrem Gesicht mischten sich Freude, Erleichterung und auch Trauer.
    »Es ist immer so kalt und dunkel! Immer!«
    Nylan drehte sich zum anderen Tisch um. Nachdem Murkassa laut herausgeplatzt war, hatte Istril ihr die Hand auf die Schulter gelegt.
    »Die Tage werden schon länger«, sagte die Wächterin mit den silbernen Haaren. »Nicht mehr lange und sie werden auch wärmer.«
    »Es ist immer noch viel zu kalt und dunkel.« Murkassa sprach jetzt leiser und Istril tätschelte noch einmal ihre Schulter. »Sogar die Mauersteine sind kalt und dunkel.«
    Nylan drehte sich wieder zu seinem Teller um und trank einen kleinen Schluck warmen Tee, ohne weiter auf den bitteren Geschmack zu achten. Er nahm sich ein Stück Brot, das übrig geblieben war.
    Etwas Hammeleintopf oder Suppe war auch noch da, inzwischen aber alles andere als warm. Nylan langte trotzdem zu und bemerkte kaum, dass Fleisch und Soße fast kalt waren, er spürte nicht einmal den matschigen Geschmack der offenbar letzten blauen Kartoffeln … und er hörte nicht auf das Gespräch zwischen Istril und Murkassa, das noch eine Weile weiterging.

 
LXIII
     
    » I ch kann nicht, ich kann einfach nicht!«
    Nylan, der in einer Ecke der Schreinerei saß und die Seitenbretter der Wiege polierte, schaute zur Treppe.
    »Nein, ich kann das nicht, ich will nicht.«
    Siret, die neben ihm arbeitete, ließ das Poliertuch fallen und beugte sich unbeholfen vor, um es wieder aufzuheben. Nylan holte es ihr und drückte es ihr in die Hand. »Hier.«
    »Danke, Ser. Ich kann mich kaum noch bewegen …«
    »Nein! Es ist zu weiß! Es ist … aaah!«
    Ayrlyn, die auf der anderen Seite der Werkstatt an einem Steg für die Lutar gearbeitet hatte, legte das Holz beiseite, nickte Hryessa zu und eilte die Treppe hinauf. Nach kurzem Zögern stand auch Nylan auf und folgte Ayrlyn. Den Grund wusste er selbst nicht genau, aber er hatte das Gefühl, er würde gebraucht.
    An der Südtür des Turmes hielten Jaseen und Istril eine Gestalt mit braunen Haaren – Murkassa – fest. Die Frau trug eine schwere Jacke.
    »Zu weiß! Es ist zu weiß!« Murkassa schlug wild um sich und traf Istrils Wange, aber die Wächterin mit den silbernen Haaren hielt Murkassas Arm fest und ignorierte den roten Fleck, der sicher bald blau anlaufen würde.
    Ayrlyn näherte sich Murkassa, die völlig verkrampft war und nur noch unzusammenhängende Worte schrie, und berührte ihre Stirn. Murkassa riss den Kopf zur Seite, aber Ayrlyn folgte der Bewegung und legte ihr noch einmal die Hand auf die Stirn.
    Nach einem Augenblick sackte die dunkelhaarige Frau in sich zusammen und die beiden, die sie gehalten hatten, ließen sie auf den Boden sinken.
    »Mann!«, murmelte Jaseen.
    Ayrlyn bückte sich und streichelte der Frau die Stirn. »Das wird schon wieder werden.«
    Nylan schluckte. Warum hatte er diese wilde Wut und Angst so deutlich gespürt? Er betrachtete Murkassa, die sich unter der Berührung der Heilerin zu entspannen schien. Das Gesicht blieb allerdings verkniffen. Oder war es nur abgemagert?
    Nylan überlegte. Waren sie nicht alle abgemagert? Auch seine Hosen saßen lockerer.
    »Hüttenkoller«, bemerkte Ayrlyn trocken. Sie richtete sich auf.
    »Hüttenkoller?«, fragte Istril.
    »Sie ist nicht für diese Kälte gemacht«, erklärte Ayrlyn. »Sie hatte nicht genug Körperfett, als sie zu uns kam, und wir haben keine warme Kleidung und nicht die richtige Nahrung, um die Kälte gut zu ertragen. Sie hält die Kälte einfach nicht aus. Sie hat Angst davor – aus gutem Grund sogar –, aber sie kann es auch nicht ertragen, eingesperrt zu sein.«

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