Sturz Der Engel
Stimmung wurde schlechter.
Er versuchte noch einmal, die Augen zu schließen, und dieses Mal blieben sie geschlossen.
LXII
N ylan lag halb von Schnee bedeckt in seinem Versteck und hielt die lange Leine fest, die mit dem beschwerten Netz verbunden war, das über dem verborgenen Kaninchenbau hing.
Nagetiere zu fangen war sehr mühsam. Zuerst musste er die Netze beinahe einen Achttag vorher auslegen, damit die Kaninchen sich an die Witterung gewöhnten. Manchmal wehte allerdings der scharfe Wind die Netze auch einfach weg. Aber selbst wenn er endlich einmal ein Netz auslösen konnte, blieben die Kaninchen nie lange genug darin verfangen, dass Nylan sie erreichen konnte.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich persönlich um die Netze zu kümmern.
Er hatte den ganzen Morgen gebraucht, um den Hasen zu fangen, der tot an seinem Rucksack hing. Inzwischen war die Mittagszeit schon vorbei. Während er im Schnee lag und den zweiten Kaninchenbau beobachtete, den er entdeckt hatte, konnte Nylan das Kaninchen spüren, das knapp hinter dem Eingang hockte. Es hatte mehrmals den Kopf herausgesteckt, aber nicht weit genug, damit Nylan das Netz fallen lassen konnte.
So schauderte der Ingenieur in der Kälte und wartete … schauderte und wartete.
Die Sonne berührte schon fast die Gipfel im Westen, als das Kaninchen endlich aus dem Bau hoppelte.
Nylan riss am Band und das beschwerte Netz fiel herunter.
Das Kaninchen wand sich, aber das grobe Netz hielt und am Ende trug Nylan ein kleines Bündel Fleisch mit dichtem Pelz durch den Schnee. Jetzt hatte er zwei magere, tote Schneehasen … mehr nicht.
Ihm war kalt, die Hosen waren feucht. Die Sonne ging unter und er musste noch ein gutes Stück hinaufsteigen, ehe er den Wald verlassen konnte und sich dem Höhenzug näherte, hinter dem Westwind lag.
So viel Mühe … und er hatte nur zwei kleine Kaninchen gefangen. Ob sie vielleicht Kaninchen züchten konnten? Aber das würde bedeuten, dass sie für die Tiere Futter und Korn einlagern mussten, doch der Menge Futter, die sie kaufen oder anbauen konnten, waren Grenzen gesetzt.
Er watete durch den Schnee, der stellenweise noch brusthoch lag, zu seinen Skiern zurück. Einmal stürzte er in ein Loch und versank bis zum Hals. Mühsam grub er sich frei.
Mit tauben Fingern fummelte er an Stiefeln und Skiern herum, bis er im purpurnen Abendlicht endlich die Skier befestigt hatte. Dann schob er nacheinander die Skier vor und lief den Hang hinauf. Sobald er den festgetretenen Pfad erreichte, auf dem die Wächterinnen mit Hilfe von Pferden Baumstämme nach Westwind schleppten, löste er die Bänder wieder und trug die Skier auf dem Rücken den Hügel hinauf. Als er die Zufahrt zum Turm erreichte, standen schon die Sterne am Himmel und die eisige Nachtluft brannte in seinen Lungen.
Aus der Dunkelheit vor dem Turm stolperte er mit Skiern, Skistöcken und Kaninchen nach drinnen in den Eingangsbereich hinter der Südtür.
Die Wärme des großen Saales schlug ihm entgegen und umfing ihn, die beiden Kerzen auf den Tischen strahlten wie Leuchtfeuer.
Ayrlyn war als Erste bei ihm, als er sich erschöpft an die Treppe lehnte. »Ryba hat sich Sorgen gemacht. Es wird kalt da draußen, wenn die Sonne untergeht.«
»Ich weiß. Ich habe etwas länger gebraucht, als ich gedacht hatte.« Er blickte zu den Wächterinnen am Tisch und sah die Köchin am Ende des zweiten Tisches. »Kyseen, mein bescheidener Beitrag.« Nylan hob die beiden toten Kaninchen.
Die dunkelhaarige Köchin stand sofort auf und kam ihm entgegen. »In Zeiten wie diesen sind alle Beiträge hochwillkommen, Ser.«
Kadran folgte ihr. »Wenn Ihr noch ein paar fangen könnt, dann können wir die Felle zusammennähen und eine Decke für Ellysias Dephnay machen«, fügte die zweite Köchin hinzu. »Hier im Turm ist es nicht so warm, wie es für ein Kind eigentlich sein sollte … Verzeihung, Ser, ich weiß ja, dass Ihr Euch bemüht, aber es ist eben einfach zu kalt.«
»Im nächsten Winter wird es wärmer sein.« Nylan hoffte, sie wären im nächsten Winter überhaupt noch da.
»Ihr müsst jetzt essen, Ser«, drängte Kyseen. »Ich nehme die Kaninchen rasch aus, damit sie nicht verderben. Ich bin gleich wieder da.«
»Habt ihr schon gegessen?«, fragte er. »Ich wollte euch nicht abhalten …«
»Ich habe gegessen, Ihr noch nicht.« Kyseen nahm ihm die beiden Kaninchen ab und ging nach unten.
Nylan ließ die Skier und Schistöcke an der Treppe stehen. Er würde sie erst
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