Sturz Der Engel
Mehr nicht.«
»Ich bin kein Weiser und kein Magier«, wehrt Lygon ab, indem er sich die Stirn reibt.
»Beide könnte ich auch nicht gebrauchen«, antwortet Ellindyja trocken. »Wie Ihr neulich schon beim Festmahl bemerkt habt, befindet sich mein Sohn in einer heiklen Lage. Fürst Ildyrom macht im Süden Schwierigkeiten, während die Dämonenfrauen im Norden einen Teil seines ererbten Landes besetzt halten. Diese Frauen üben, wie man hört, nicht nur auf Männer, sondern auch auf unzufriedene Frauen hier in Lornth eine gewisse Anziehungskraft aus.« Sie unterbricht sich kurz. »Und der Einfluss reicht anscheinend bis in alle Länder im Westen einschließlich Suthyas. Würdet Ihr wollen, dass die Frauen Suthya verlassen und ein Land aufbauen, das von Frauen beherrscht wird? Würdet Ihr mit ihnen Handel treiben wollen? Würden sie nicht vielleicht den anderen Händlern, sagen wir aus Spidlar, den Vorzug geben?«
»Das vermag ich nicht zu sagen. Bisher habe ich nichts davon gehört.« Lygon leckt sich die Lippen.
»Dann lasst uns hoffen, dass es nicht so weit kommt.« Die Nadel fährt durch den weißen Stoff. »Könnte man meinen Sohn aber dazu bewegen, sich der Sache anzunehmen, so würde dies gewiss auch den Kaufleuten in Suthya zum Vorteil gereichen.«
Lygon runzelt die Stirn. »Wenn Ihr fortfahren könntet …«
»Es ist ganz einfach, geehrter Händler. Mein Sohn macht sich Sorgen, dass, wenn er das besetzte Land zurückerobert, die wiederhergestellte Ehre kein angemessener Gegenwert für die Toten und die Münzen sein könnte, die wir dabei verlieren würden. Seine Grundbesitzer machen sich unterdessen Sorgen, dass ihre Töchter und die Frauen auf den Besitzungen die wilden Frauen anziehend finden könnten, aber sie dürfen es nicht aussprechen, weil dies den Eindruck erwecken könnte, sie wären zu schwach und außer Stande, die eigenen Frauen im Zaum zu halten.«
Lygon schüttelt den Kopf. »Was hat das mit dem Handel zu tun?«
Ellindyjas Lippen werden schmal, ehe sie weiterspricht. »Wir haben nur wenige Waffenschmiede, aber das Heer braucht Material. Wenn die Ehre, unsere und Eure Lebensart zu bewahren, für Euch kein ausreichender Grund ist, meinen Sohn zu erinnern, dass er seine Ehre und die der Grundbesitzer hüten muss, dann könnten Euch vielleicht die Vorräte, die man bei einem entsprechenden Unterfangen brauchen würde, einen kleinen Anstoß geben. Nur, dass Ihr nicht über diese Vorräte mit Fürst Sillek sprechen solltet. Das wäre für ihn viel zu direkt.«
»Meine Dame … Ihr versetzt mich in Erstaunen. Fürst Sillek kann von Glück reden, eine Mutter wie Euch zu haben.«
»Ich versuche nur, in seinem Interesse zu handeln, Kaufmann. Glücklicherweise fällt sein Wohl mit dem Euren zusammen.«
»In der Tat.« Lygons Blick wandert zur Tür.
Fürstin Ellindyja steht auf. »Es gibt sicher einige Dinge, die wichtiger sind, als einer alten Dame zuzuhören. Aber wenn Ihr es über Euch bringen könntet, Eure Anmerkungen zur Ehre entsprechend anzubringen und zu erwähnen, dass die Fürsten sich nicht trauen, ihre Sorgen offen zu bekunden … nun, dann wäre ich Euch sehr dankbar.«
Lygon steht auf und verneigt sich. »Für eine Mutter, die ihrem Sohn so ergeben ist, will ich dies gern tun.«
»Ich will wirklich nur sein Bestes«, sagt Ellindyja noch einmal, während sie den hoch gewachsenen Händler zur Tür begleitet.
Die Tür des Turmes wird geöffnet und Lygon tritt in den Gang hinaus und schreitet zur Treppe, die ins untere Stockwerk führt. Sein Gesicht verrät nichts und er blickt nicht einmal in die Richtung der blonden Frau, die von der oberen Brustwehr herunterkommt.
Als sie dem Kaufmann die Treppe hinunter folgt, blickt Zeldyan kurz zu Fürstin Ellindyjas Tür und presst die Lippen zusammen.
LIX
I n der Ecke der Holzwerkstatt im Turm zeichnete Nylan langsam die kreisförmigen Schnitte vor, nach denen er das unzulänglich gegerbte Leder zerteilen wollte. Wenn er geschickt vorging, würde er längere Riemen herausbekommen und konnte sogar noch die Reste verwenden. Aber das improvisierte Netz war so oder so kaum mehr als ein Flickwerk aus Bindfaden, Lederriemen und Synthetikband.
Er betrachtete die Teile der Wiege, mit der er immer noch nicht fertig war, dann die Einzelteile des Schaukelstuhls. Beide Möbelstücke mussten poliert und nachgearbeitet werden, ehe er sie verleimen konnte, aber wenn er eine Weile mit dem Hobel gearbeitet hatte, verkrampften sich seine Hände. So
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