Sturz Der Engel
zum Turm. »Hryessa?«
Die junge Wächterin trieb ihr Pferd neben das der Marschallin und ritt mit ihr bergauf.
»Dumm waren sie … so dumm …«, murmelte Berlis.
Nylans Blick wanderte von Ryba zu den beiden Flüchtlingen und zu den Leichen auf dem Karren. Er konnte zwar Rybas Überlegungen nachvollziehen, aber er war nicht erfreut über die Geschwindigkeit, mit der sie abgelaufen und mit tödlichen Folgen umgesetzt worden waren. Es war eher eine Hinrichtung als ein Kampf gewesen, dachte er.
Nachdenklich kehrte er zu seiner grauen Stute zurück. Ryba sah Schwierigkeiten voraus und hatte mit einer Tat reagiert, die in einer zivilisierten Welt als Mord beurteilt worden wäre. Aber … war es denn wirklich so falsch, Missbrauch und Mord durch einen Mord zu verhindern? Er schüttelte den Kopf. Das Problem war, dass man nicht immer sicher sein konnte, mit einem vorschnell begangenen Mord tatsächlich gerecht gehandelt zu haben, ob man nun Visionen hatte oder nicht.
Er band die Zügel des Wagenpferdes los und ließ sie knallen. Holpernd setzten sich die Räder in Bewegung, die lange Steigung den Hügel hinauf zum Turm und zum Bauplatz der Schmiede.
LXXXIII
A ls es an der Tür klopft, wendet Hissl sich vom Fenster ab. Es klopft noch einmal, als er nicht sofort öffnet.
»Einen Augenblick.« Der Magier sammelt sich und macht einen Schritt, die Finger um den Griff des Dolchs aus Neusilber gelegt, der in seinem Gürtel steckt.
Eine Gestalt, deren Gesicht von einer Kapuze verdeckt wird, wartet vor Hissls Kammer und verneigt sich, als der Magier öffnet. »Habt Ihr über den Schlüssel nachgedacht, der Euch ans Ziel Eurer Wünsche bringt?«
»Der Schlüssel, der mich ans Ziel meiner Wünsche bringt? Woher wollt Ihr wissen, was ich mir wünsche?«
»Ihr seid es leid, der zweite Magier zu sein, ein Werkzeug, das man benutzt und dann zur Seite stellt. Ihr möchtet eine bedeutende Position und Macht besitzen.« Der Mann mit der Kapuze steht auf dem Treppenabsatz.
»Bleibt dort.« Hissl weicht zwei Schritte zurück, ohne den Besucher aus den Augen zu lassen, und tritt hinter den Tisch mit dem Glas. Er schaut zwischen dem Besucher und dem Glas hin und her und konzentriert sich.
Langsam taucht ein Umriss aus den wirbelnden Schleiern auf, die Gestalt eines Bewaffneten in brauner Lederkleidung mit einer purpurnen Schärpe vor dem dünnen Brustpanzer. Hinter der Gestalt erhebt sich ein schwarzer Turm.
Hissl verkneift sich den Impuls, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, als seine Konzentration auf das Glas nachlässt.
»Ihr seid ein Bewaffneter, aber Ihr kommt vom Schwarzen Turm der teuflischen Engel. Ich könnte Euch töten.« Er denkt nach. »Nein, ich sollte Euch töten.«
Der Bewaffnete tritt einen Schritt in den Raum und bleibt dort stehen. Er streckt die rechte Hand aus, der Zeigefinger und Daumen fehlen, aber er wirft die Kapuze nicht zurück, obwohl sein Gesicht gerade im Spähglas erschienen ist. »Die Engel haben sie mir genommen. Ich kann nicht nach Lornth oder zu meiner Familie zurückkehren. Ich biete Euch die Möglichkeit, Macht und Einfluss zu gewinnen.«
»Wie könnt Ihr mir Macht und Einfluss bieten? Ihr habt nichts.« Hissl lacht. »Und Ihr seid bereits in das Land von Lornth zurückgekehrt, wenngleich nicht nach Lornth selbst.«
»Mein … mein Herr will, dass Westwind fällt.«
»Westwind?«
»So nennen die Engel ihren Turm und das Land, das sie dem Herrn von Lornth genommen haben.«
»Wenn Euer Herr so mächtig ist, warum nimmt er dann Westwind nicht selbst ein?«
Der Bewaffnete zuckt mit den Achseln. »Fürst Nessil war dazu nicht einmal mit drei Zügen Bewaffneten im Stande. Ihr und der große Jäger könntet es jedoch gemeinsam vollbringen, und Ihr sollt erfahren, was er weiß und was ich weiß.«
»Und das wäre?«
»Das wird er Euch noch sagen.«
»Ich soll Euch also blind vertrauen? Ha!« Hissl lacht.
»Hier ist noch ein Unterpfand.« Langsam beugt sich der Bewaffnete vor und legt neben dem Glas einen Gegenstand auf den Tisch.
Hissl betrachtet den Donnerwerfer, der kleiner ist, als er vermutet hätte. »Was soll ich damit?«
»Damit Ihr dem Jäger nicht blind vertrauen müsst.«
Hissl leckt sich die Lippen, während er den Metallgegenstand betrachtet, der gleichzeitig Chaos und Ordnung ausstrahlt. Schließlich sagt er: »Was will der Jäger?«
»Er will sich mit Euch treffen, um die Eroberung von Westwind zu planen.«
»Ha! Der junge Relyn von Gethen hatte beinahe
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