Sturz Der Engel
Kultur untergehen, wo die Pferde manchmal besser behandelt werden als die Frauen. Das ist doch eigentlich nicht zu viel verlangt.«
»Eigentlich nicht«, stimmte Nylan zu. »Aber wenn wir frei sein wollen, brauchen wir immer mehr Rekrutinnen und immer mehr Waffen. Wenn wir mehr Rekrutinnen bekommen, werden die Einheimischen immer wütender auf uns und das bedeutet, dass wir uns verteidigen müssen. Noch mehr Tote, noch mehr Plünderungen. Dadurch werden wir stärker – aber es geht nur, wenn wir dafür sorgen, dass möglichst wenig von unseren Leuten sterben. Also müssen wir die Leute gut ausbilden und brauchen mehr Waffen. Mehr Ausbildung heißt, wir haben weniger Kräfte für den Ackerbau und die Jagd, und das bedeutet, dass wir eine militärische Kultur aufbauen, die sich eines Tages wahrscheinlich dem Machthaber verdingt, der am besten zahlt.« Nylan räusperte sich. »Ist es das, was du siehst? Ist es das, was du willst?«
»Ich wünschte, ich könnte einen friedlicheren Weg sehen, aber den sehe ich nicht. Westwind wird tatsächlich einige Wächterinnen verdingen müssen, aber soweit ich es sehe, werden wir vor allem dadurch aufblühen, dass wir bessere Handelsstraßen bauen, Zölle erheben und als Gegenleistung die Straßen schützen.« Ryba überlegte. »Aber ich sehe das nicht so klar und deutlich wie das umfassende Bild, das du gezeichnet hast. Ich fange hier und dort mal ein Bild auf, das ich erst mit den anderen zusammenfügen muss. Ich habe immer Angst, ich könnte die Einzelteile des Puzzles falsch zusammensetzen, ich könnte Fehler machen und Menschen könnten sterben, die es nicht verdient haben.«
Nylan ließ die Wiege langsam ausschwingen. Dyliess schnarchte leise und seufzte. Er kroch unter die leichte und dünne Decke, die in Sommernächten völlig ausreichte.
»Kannst du mich in den Arm nehmen?«, fragte Ryba. »Ich weiß, dass du gezwungen, überlistet und überrumpelt worden bist und darauf bin ich nicht stolz. Aber ich fühle mich einsam. Ich bitte nicht einmal um Liebe. Halte mich nur fest.«
Im Dunkeln ging Nylan zu ihrer Liege und legte, unsicher wie er war, die Arme um sie. Er starrte die groben Deckenbalken an und fragte sich, wie lange er sie auf diese Weise halten konnte, wohl wissend, dass sie niemanden sonst hatte.
CIV
» H issl hat darum gebeten, für drei Achttage von seinem Posten in Clynya abgelöst zu werden«, sagt Sillek. Er schaut vom Tisch auf und unterdrückt mühsam ein Gähnen. Sein Atem lässt die Kerzen im Leuchter flackern.
»Er ist doch schon eine ganze Weile dort, nicht wahr?«, fragt Zeldyan. Sie lässt Nesslek auf einem Knie hüpfen, während sie hin und wieder einen Happen vom kleinen Tisch nimmt und isst.
»Ja.«
»Warum machst du dir deshalb Sorgen?«
»Terek meint, Hissl führt etwas im Schilde, das nicht unbedingt mit den Aufgaben eines Magiers in Einklang steht. Eigenartige Leute haben ihn besucht – Bewaffnete, die niemand kennt. Er hat genug Vorräte für ein kleines Heer angesammelt, wie Koric mir berichtet hat. Koric hat gelacht und sich darüber amüsiert, dass Hissl keine Ahnung hätte, wie man etwas insgeheim plant.«
»Er ist doch nicht … er wird doch nicht … er kann doch nicht so dumm sein, dich zu verraten?«
»Nein, und er ist auch nicht raffiniert genug, um auf diese Weise vorzugehen. Wenn er darauf aus wäre, mich abzusetzen, dann hätte er am ehesten Koric ermordet und Ildyrom den Zugang zum Weideland gewährt. Er ist allerdings durchaus klug genug, auf solche Ideen zu kommen, und da er es nicht getan hat, will er auf etwas anderes hinaus.« Sillek gähnt und betrachtet seinen Sohn. »Wann wird er schlafen?«
»Bald«, sagt Zeldyan lachend. »Rede nur weiter, deine Stimme beruhigt ihn. Was hat Hissl denn nun vor?«
»Ich kann nur raten, aber ich würde sagen, er rüstet eine eigene Expedition aus, um das Dach der Welt anzugreifen.«
»Aber warum? Er kann doch nicht einmal ein Schwert von einem Dolch unterscheiden.«
»Er ist ein Magier und er hat Terek im letzten Jahr gesagt, dass er der Ansicht sei, die Donnerwerfer der Engelsfrauen würden nicht einmal ein Jahr halten.«
Zeldyan runzelt die Stirn. »Warum sollte er riskieren, sie anzugreifen?«
»Er mag es nicht, der Zweite hinter Terek zu sein. Er hätte lieber eigene Ländereien und einen Titel. Ich müsste das Versprechen halten, das ich gegeben habe, und ganz besonders, wenn Hissl es ist, der das Dach der Welt zurückerobert. Er weiß das. Wenn ich ihn
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