Sturz Der Engel
oder Sprenggelatine – nun ja, er war kein Chemiker. Keiner von ihnen hatte die entsprechende Vorbildung.
»Die verdammten Steine«, fluchte Denalle, während sie versuchte, einen Brocken auszuhebeln, der mehr als eine Elle lang und halb so breit und dick war wie der Graben. Nylan setzte die Schaufel an und zu zweit konnten sie ihn bewegen.
Der Ingenieur-Schmied tupfte sich die Stirn ab und begann wieder zu graben.
Rienadre, die ein Stück näher am Bach gearbeitet hatte, kam herauf, blieb bei Nylan stehen und deutete auf ihr Werk. »Ist der zweite Kanal, wie ich ihn unten begonnen habe, weit genug vom ersten entfernt?«
Nylan hörte einen Augenblick zu graben auf und sah in die Richtung, in die sie zeigte. »Das sollte gehen. Wir setzen jeweils kleine Tore ein, damit wir den Teich leer laufen lassen können, falls wir etwas reparieren müssen.«
»Aber warum zwei Kanäle?«, schnaufte Denalle.
»Der Bach muss irgendwo bleiben, wenn wir den ersten Kanal bauen. Das Gleiche gilt umgekehrt, wenn wir den zweiten anlegen«, übernahm Rienadre an Nylan statt die Erklärung.
»Immer wenn ich denke, wir haben genug Ziegelsteine gebrannt«, bemerkte Denalle, »fällt dem Ingenieur etwas Neues ein. Wir werden wohl nie fertig werden.«
»Wir sind auch nie fertig geworden, als wir noch bei der Marineinfanterie waren.« Rienadre kehrte nach unten zurück. »Aber ich trete lieber gegen die Einheimischen als gegen die Lichtdämonen an.«
»Mag ja sein«, grunzte Denalle, als sie die Schaufel in den Boden stieß, »aber hier wird es ein schmutziger und schmerzhafter Tod.«
Nylan grub weiter und dachte über die Wellen, das Getriebe und das Gebäude für die Mühle nach. Wahrscheinlich würde er ein oberschlächtiges Mühlrad bauen müssen, weil er nur bei diesem sicher war, wie es konstruiert wurde, aber irgendwie hatte er die Vorstellung, dass ein unterschlächtiges Mühlrad möglicherweise wirkungsvoller war – oder war es anders herum? Wie hätte er auch je ahnen können, dass solche Dinge einmal wichtig werden würden …
Nylan hob die nächste Schaufel mit Dreck und Lehm hoch. Er hatte sich ja auch unbedingt die Idee in den Kopf setzen müssen, eine Sägemühle zu bauen, nicht wahr? Die Hälfte der Wächterinnen maulte schon, weil sich keine von ihnen vorzustellen vermochte, dass man den Mechanismus der Mühle auch für Dutzende anderer Zwecke benutzen konnte. Warum wurden die praktischen Aspekte des Lebens in Liedern und Trideofilmen und sogar im wirklichen Leben so gering geschätzt? Nein, die praktisch veranlagten Menschen fielen immer den Kriegern und den Ruhmsüchtigen zum Opfer. Er schüttelte den Kopf und grub weiter.
CVI
W olken huschten eilig über den grünblauen Morgenhimmel und warfen immer wieder schnell dahinziehende Schatten aufs Dach der Welt. Böen, gekühlt von den eisbedeckten Gipfeln im Westen, peitschten die wenigen hageren Tannen, die sich in den Spalten der schmalen Schlucht oberhalb der Stallungen von Westwind festklammerten.
Nylan überprüfte die Schaufeln und die anderen Gerätschaften, die hinter dem Sattel der Stute festgezurrt waren. Wieder lag ein langer Tag voller Erdarbeiten und Mauern und Mörteln vor ihm. Wenn sie Glück hatten, konnten sie in einem Achttag vielleicht schon mit dem Fundament der Mühle beginnen. Er klopfte der Stute auf die Schulter und führte sie ins Licht hinaus. »Nun komm, Mädchen.«
Am Ende der Ställe stand Ryba und redete mit Istril, Hryessa und Ydrall. Die drei Wächterinnen standen mit jeweils zwei Schwertern und Bogen voll bewaffnet vor ihren gesattelten Pferden.
Nylan blieb stehen, versuchte zu lauschen und tätschelte abwesend die Stute, um sie zu beruhigen.
»Einen Frontalangriff werden sie nicht riskieren. Selbst Gerlich ist nicht so dumm. Wir müssen also die Gegend auskundschaften und einen Ort finden, zu dem sie Pferde und Bewaffnete heraufbringen könnten … beginnt dort mit der zweiten Schlucht. Sucht nach Spuren hoch oben in Bäumen und Büschen. Vergesst nicht, wie hoch der Schnee gelegen hat.«
Der Ingenieur-Schmied schwang sich in den Sattel und schwankte einen Augenblick unsicher hin und her. Richtig wohl fühlte er sich beim Reiten immer noch nicht, aber irgendwie hatte er es inzwischen halbwegs gelernt. Er ruckte an den Zügeln der braunen Stute und ritt langsam zu den drei Wächterinnen, die Ryba aufmerksam zuhörten.
»Einen Augenblick. Ich muss schnell ein Wort mit dem Ingenieur reden, ehe er zur Manufaktur hinunter
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