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Sturz Der Engel

Titel: Sturz Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Ich weiß ja, dass du es nicht magst, wenn jemand getötet wird, aber welche Wahl haben wir denn, wenn wir nicht sterben oder als Gesetzlose gejagt werden wollen?« Sie hielt inne. »Oh, ehe ich’s vergesse, wir könnten den Rest unseres sehr kurzen Lebens auch barfuß und ständig schwanger als geschlagene Frauen verbringen, falls wir nicht jemanden finden, der so freundlich ist wie du. Und in einem Leben, das ein ganzes Jahrzehnt länger währt als deins, ist mir bisher genau ein Exemplar von deiner Sorte begegnet.«
    Darauf wusste Nylan keine Antwort. Jedenfalls keine, die auszusprechen irgendwie sinnvoll gewesen wäre. Natürlich hatte Ryba Recht mit dem, was sie sagte, aber er wollte am liebsten schreien und fragen, welche Logik es war, die einem vorschrieb, dass es immer nur um Gewalt und Tod gehen musste und dass auf Gewalt immer nur Gewalt folgen musste und dass manche Leute sich schlicht und ergreifend weigerten, auf Gewalt zu verzichten.
    »Dein Problem ist, dass du im Grunde ein guter, freundlicher Mann bist und nicht einsehen willst, dass die meisten Menschen anders sind. Fast alle Leute brauchen Druck oder Disziplin, um sich in die jeweilige Ordnung einzufügen.«
    »Das kann ich verstehen«, räumte Nylan ein. »Was ich nicht verstehe, ist, warum die meisten Menschen so sind. Nach dem Krieg sind vielleicht ein paar Leute besser dran als vorher, aber den meisten geht es schlechter. Manchmal kann ein Krieg sogar nötig sein, wenn man überleben will, aber das heißt gleichzeitig, dass die andere Seite nicht überleben wird.«
    »Denk doch nur an die gallischen Männer, die Anfang des Sommers angegriffen haben.« Rybas Stimme war leise und kalt. »Sie konnten sich nicht vorstellen, dass es Frauen wie uns gibt. Sie wollten es einfach nicht akzeptieren. Sie wollten lieber sterben, als sich mit der Idee abfinden, dass Frauen so hart und klug sein könnten wie sie – und sie sind gestorben. Du musst den Tatsachen ins Auge blicken, Nylan. Die meisten Menschen hängen irrationalen Überzeugungen an. Sie würden nicht tun, was sie tun, wenn es anders wäre. Aber sie tun es und das ist der Beweis.«
    »Das stimmt wohl.« Nylan holte noch einmal tief Luft und versuchte, leise und geräuschlos zu atmen. Er wollte nicht weiter darüber reden. Er wollte einfach nur wissen, warum die Menschen so blind waren. Natürlich, die Gewalt war für die Stärksten der einfachste Weg, aber es konnte doch immer nur einer der stärkste sein. Warum machten sich so viele Menschen vor, ausgerechnet sie wären die stärksten? »Das stimmt wohl … und ich kann verstehen, was du sagst. Aber es muss mir ja nicht gefallen.«
    »Mir gefällt es auch nicht«, sagte Ryba gähnend. »Aber ich kann die Menschen nicht ändern.«
    Nylan fragte sich, ob sie das überhaupt wollte, doch er zog es vor zu schweigen. Er drehte sich um und betrachtete die Wiege. Er hoffte, Dyliess würde es verstehen, aber er fürchtete auch, sie würde nicht überleben können, wenn sie ihn verstand. Er betrachtete schweigend ihr Gesicht, bis ihm die Augenlider schwer wurden und er viel zu spät in einen viel zu kurzen, unruhigen Schlaf fiel.

 
CXXV
     
    E s war noch dunkel, als die Triangel angeschlagen wurde. Nylan saß sofort kerzengerade im Bett.
    Ryba stöhnte im Schlaf, Dyliess schnaufte und drehte sich auf der höckrigen Matratze in der Wiege hin und her. Langsam setzte der Schmied-Ingenieur die Füße auf den Boden. Er saß eine Weile auf der Bettkante, bis Dyliess zu wimmern begann. Dann nahm er seine Tochter aus der Wiege und ließ sich mit ihr mühsam im Schaukelstuhl nieder, wo er sie vor der Brust hielt, sich mit ihr wiegte und behutsam ihren Rücken tätschelte.
    Wieder wurde die Triangel angeschlagen, einmal nur, und Ryba murmelte: »Noch nicht.«
    Nylan stimmte ihr aus ganzem Herzen zu, aber als er hörte, wie Ryba sich noch einmal umdrehte und stöhnte, sagte er: »Der große Tag ist gekommen. Ich hoffe, es wird wirklich ein großer Tag. Und vor allem hoffe ich, dass sie einfach ihr Heer umkehren lassen.«
    »Das wird nicht geschehen«, murmelte Ryba benommen, als sie sich zu ihm herumdrehte. Im Dunkeln fummelte sie einen Augenblick mit dem Zündstein herum, bis die Kerze brannte. »Ich verstehe immer noch nicht, wie du in völliger Dunkelheit sehen kannst. Bei den Dämonen, es ist noch so früh.«
    Nylan klopfte Dyliess auf den Rücken, aber das Wimmern schwoll rasch zu einem ausgewachsenen Schreien an.
    »Sie hat Hunger«, meinte er.
    »Das

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