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Sturz Der Engel

Titel: Sturz Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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noch nie gesehen.«
    »So verbittert war ich auch noch nie.« Sie setzte sich neben ihm auf die Mauer und schwieg einen Augenblick. »Ich bin müde, Nylan. Ich bin es müde, Menschen zu heilen, die nur deshalb verletzt wurden, weil es unmöglich scheint, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Ich bin es müde, dass man mich für schwach hält, weil es mir weh tut, wenn Menschen getötet werden. Ach, verdammt! Es tut mir bei jedem Lebewesen weh, wenn es getötet wird, nicht nur bei Menschen. Aber bei Menschen fällt es besonders auf, weil hier in der letzten Zeit so viele getötet worden sind.«
    »Das ist wahr.«
    »Ich bin es müde, immer nur zu reisen und zu handeln und Frauen mit verängstigten Augen zu sehen oder Frauen, die kaum mehr sind als Mädchen und die doch schon schwanger sind und kaum besser dran als Zuchtstuten. Ryba hat vielleicht Recht, dass Gewalt, wenn man sie richtig und energisch genug einsetzt, die einzige Lösung ist, aber ich bin es leid.«
    »Ich auch«, stimmte Nylan von Herzen zu. »Und ich bin es müde, weil nichts je genug ist. Noch mehr Pfeilspitzen, noch mehr Klingen, noch mehr Gewalt. Und was passiert? Eines der größten Heere, die es in dieser Kultur wohl jemals gegeben hat, marschiert gegen uns. Und wenn wir es vernichten können, was dann?«
    »Nun ja … danach werden wir auf Rosen gebettet sein, wir werden gute Ernten einbringen und kräftige gesunde Mädchen zur Welt bringen, oder?« Ayrlyn seufzte. »Und wir werden warme Feuer haben und gute Mahlzeiten bekommen, wir werden Schmieden und Sägemühlen haben und …«
    »Natürlich. Sollte nicht jedes Märchen so enden?«
    Ayrlyn lachte humorlos. »Verdammt, verdammt … die Geschichte hört einfach nicht auf. Die Leute kämpfen und kämpfen und kämpfen. Wenn du siegst, dann musst du weiterkämpfen, damit dir die anderen nicht alles wieder wegnehmen. Wenn du verlierst und überlebst, musst du kämpfen, um zu überleben und zurückzuholen, was du verloren hast. Warum das alles?«
    »Weil es niemals genug ist«, sagte Nylan mit belegter Stimme. »Darüber haben wir doch schon gesprochen.«
    »Und nichts ändert sich?«
    »Nichts. Ich weiß noch keinen Weg, wie man es ändern kann.«
    »Nylan …«
    »Ja?«
    »Können wir nicht versuchen, etwas zu verändern, wenn wir das hier hinter uns haben? Damit wir nicht immer nur kämpfen müssen?«
    Er nickte.
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Eine Weile saßen sie schweigend und bedrückt da und sahen den Wächterinnen zu, die eilig hin und her liefen und aufbrachen, bis Kadran herauskam und die Triangel anschlug, um die wenigen, die noch im Schwarzen Turm geblieben waren, zum Abendessen zu rufen.

 
CXXIV
     
    N ylan lag wach auf der Liege und lauschte mit Ohren und Sinnen Dyliess’ leisen Atemgeräuschen. Bilder und Gedanken kamen und gingen. Er dachte an ein Abendessen, an dem nur wenige Wächterinnen teilgenommen hatten, weil die meisten mit vollen Köchern in die Dämmerung hinausgegangen waren, er dachte daran, dass die ganze Welt durch Gewalt gelenkt wurde und dass niemals das auszureichen schien, was man gerade erreicht oder erworben hatte.
    Er schnaufte mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Bist du wach?«, fragte Ryba, die ein Stück entfernt auf ihrer Liege lag.
    »Ja. Es fällt schwer einzuschlafen, auch wenn man die Ruhe gut gebrauchen könnte, wenn man an zweitausend Männer denkt, die dich töten und alles zerstören wollen, was du aufgebaut hast.« Über Gewalt und Gier wollte er lieber nicht mit Ryba diskutieren.
    »Sie werden es nicht schaffen. Nicht, wenn wir alles tun, was in unseren Kräften steht.«
    »Das hast du schon einmal gesagt. Ich weiß auch, dass du wahrscheinlich sogar Recht hast, aber meine Gefühle wollen nicht auf die Vernunft hören. Du scheinst unerschütterlich daran zu glauben, dass wir eine Streitmacht vernichten können, die fünfzigmal so groß ist wie die unsere.«
    »Fierral meint, unsere Bogenschützen haben bereits hundert bis zweihundert ihrer Bewaffneten getötet. Sie hat noch ein paar Wächterinnen draußen, die nachts sehen können«, erklärte Ryba. »Wenn wir morgen weitere zweihundert erwischen, sodass sie wutentbrannt den Hügel heraufgestürmt kommen, könnten deine kleinen Fallen noch einmal hundert von ihnen erledigen. Vielleicht haben wir sie bis auf tausend Kämpfer reduziert, ehe du den Laser einsetzen musst.«
    »Und dann macht es einfach nur ›paff‹ und wir sind alle unsere Probleme los?«
    »Was ist nur in dich gefahren, Nylan?

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