Sturz Der Engel
höchstens noch fünfzehnhundert da, die darauf brennen, einen jeden von uns zu töten. Am besten, indem sie uns jeweils an mehrere Pferde binden und die Pferde in verschiedene Richtungen galoppieren lassen.«
»Wahrscheinlich. Wir müssen sie eben alle töten. Dann sind sie keine Gefahr mehr für uns.«
Nylan sah sie an. Er glaubte, die Spur eines Lächelns zu sehen, aber vielleicht hatte er sich auch geirrt. »Das ist keine Lösung, die langfristig Erfolg verspricht.«
»Nein. Es wäre viel einfacher, wenn die meisten Männer wären wie Ihr, aber anscheinend sind sie eher wie Gerlich.«
Nylans Magen knurrte und ihm wurde etwas schwindlig.
»Ihr müsst etwas essen, genau wie ich.«
Nylan nickte. Gemeinsam gingen sie zum großen Saal, dessen Tische fast vollständig besetzt waren. Die Kerzen vertrieben das deprimierende Zwielicht, aber eine große Hilfe waren sie nicht. Sie flackerten im Wind, der durch die offenen Fenster wehte.
Istril setzte sich an den zweiten Tisch.
Ayrlyn – sie hatte dunkle Ringe unter den Augen – nickte, als Nylan sich am ersten Tisch niederließ.
»Du bist müde«, sagte Nylan zu ihr. Er langte nach dem Becher mit dem bitteren Tee, den er jetzt dringend brauchte.
»Es war eine lange Nacht.«
»Warst du mit den Bogenschützen draußen?«
Ayrlyn trank ihren Tee aus. »Ich kann im Dunkeln sehen, das hilft.«
Da er ihre Erschöpfung spürte, füllte Nylan ihren Becher nach.
»Danke.« Die Heilerin schob sich fast mechanisch ein Stück Brot in den Mund und kaute, als wäre jeder Bissen nur mit großen Anstrengungen herunterzubekommen.
»Willst du auch etwas Fleisch?«
»Nein, danke«, sagte die Rothaarige. »Es ist ja nicht deine Schuld, Nylan, aber es war wirklich eine lange, harte Nacht.« Sie kaute langsam noch ein Stück Brot.
»Es ist noch viel zu früh«, knurrte Huldran. »Das fehlt noch, dass wir vor der Morgendämmerung kämpfen müssen.«
»Wie ist es letzte Nacht gelaufen?«, fragte Nylan.
»Gut genug, dass jeder andere Idiot kehrt gemacht hätte. Überall am Straßenrand liegen Leichen. Der Kommandant war klug genug, seine Leute in Bewegung zu halten und sich nicht mit Beerdigungen aufzuhalten. Im nächsten Tal haben sie auf einem Hügel, der rundherum von Gras umgeben ist, ein halbwegs befestigtes Lager errichtet.« Fierral verdrückte ein dickes Stück Brot und einen lauwarmen Streifen von dem Fleisch, das Nylan bereits gekostet hatte. Es schmeckte sehr streng nach Wild. »Nachdem sie das Lager aufgeschlagen hatten, konnten wir nicht mehr viele erwischen, weil das Gelände zu offen war.«
»Wir haben eine ganze Reihe Bewaffnete erledigt und auch selbst ein paar Kämpferinnen verloren«, fügte Ayrlyn müde hinzu.
Nylan begriff, dass ihre Erschöpfung mehr war als körperliche Müdigkeit. Er fragte sich, wie viele sie geheilt hatte und wie viele sie nicht mehr hatte heilen können.
Ryba kam voll angekleidet mit Dyliess auf dem Arm in den großen Saal. Bogen und Klingen hatte sie an der Treppe im Regal gelassen. Als sie sich setzte, antwortete sie auf Ayrlyns letzte Bemerkung, die sie offenbar gehört hatte. »Damit sind sie immer noch eine Menge Leute und wir ein paar weniger.«
Nylan wäre beinahe zusammengezuckt. Manchmal fragte er sich, wie Ryba so unsensibel sein konnte – oder so stark –, die Schmerzen einfach wegzudrücken. Was war es nun?, fragte er sich. Er warf einen kurzen Blick zu Ayrlyn und lächelte entschuldigend.
Sie antwortete ebenfalls mit einem knappen Lächeln.
»Die ersten Posten sind bereits aufgestellt, Ser«, erklärte Fierral. »Ich habe außerdem ein paar neue Wächterinnen schon früh aufstehen und die Pfeile und Waffen von denen einsammeln lassen, die gestern Abend gefallen sind. Sie müssten bald nach der Dämmerung zurückkehren, also eine ganze Weile bevor das Heer sich in Bewegung setzt.«
»Männer sind morgens langsam«, murmelte Huldran. »Abgesehen von Euch, Ser«, fügte sie an Nylan gewandt hinzu.
Der Schmied-Ingenieur fragte sich, warum er immer und überall als die große Ausnahme betrachtet wurde. Lag es etwa einfach nur daran, dass Ryba ihn brauchte? Oder daran, dass er es nicht mochte, wenn man Gewalt als Lösung für Probleme einsetzte? Auch wenn er mehr als die meisten anderen die Schuld daran trug, dass Gewalt eingesetzt worden war? Er trank einen Schluck Tee und ließ den Becher bis knapp unters Kinn sinken, damit der Dampf über sein Gesicht streichen konnte.
Noch ein paar Schlucke, dann kaute er langsam
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