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Sturz Der Engel

Titel: Sturz Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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zuzuhören.
    »Fürst Sillek hat die Eisenholzwälder und einen Adelstitel demjenigen angeboten, der das Dach der Welt zu säubern vermag.«
    »Säubern?«, fragte Ryba kalt. »Sind wir etwa Ungeziefer?«
    Ihre Aussprache des alten Anglorat ließ einiges zu wünschen übrig, aber Relyn verstand sie genau und schluckte. »Ich bitte um Verzeihung … aber Frauen wie Euch bekommt man sonst nirgends in Candar zu sehen, so wenig wie irgendwo am Ostmeer und Westmeer.«
    »Es gibt Frauen wie uns in Candar, die den Weg nach Westwind finden werden«, erklärte Ryba. »Beizeiten werden alle Länder westlich der Westhörner von Frauen regiert werden, die der Legende folgen, die sich um die Wächterinnen von Westwind ranken wird … ich glaube, ich habe den Namen dieses Ortes bereits erwähnt.«
    »Die Legende?«, fragte Relyn.
    Nylan blickte zu Ayrlyn, die den Blick senkte.
    »Ayrlyn? Das wäre doch ein guter Augenblick, dein neues Lied vorzutragen.«
    »Wie Ihr wünscht, Marschallin.« Ayrlyn ging zum anderen Ende der Halle und nahm den Koffer mit der Lutar aus dem offenen Regal unter der Steintreppe. Sie ließ den Koffer stehen und kehrte mit dem Instrument zum Herd zurück.
    »Was hat es mit dieser Legende auf sich?«, wollte Narliat wissen.
    »Es ist die Geschichte der Engel«, erklärte Ryba. »Und sie schildert das Unglück derjenigen, die allein auf die Kraft der Männer vertrauen.«
    Nylan zuckte zusammen, als er ihre selbstsichere Stimme hörte, diese Sicherheit, die auf einer klaren Vision beruhte. Wie die Vision von der Tochter, die inzwischen keine Vision mehr war, sondern Wirklichkeit. Die Zeichen der Schwangerschaft konnte inzwischen auch Nylan sehen und vor allem mit den Sinnen spüren, aber das Geschlecht des Kindes vermochte er nicht zu bestimmen. Ryba dagegen war ihrer Sache völlig sicher.
    Die Lutar in der Hand, baute Ayrlyn sich vor dem Ofen auf und stimmte das Instrument. Sie schlug einige Akkorde an, ehe sie zu singen begann:
     
    … von den längst verlor’nen himmlischen Gefilden
    bis zu Westwinds eisiger Feste
    werden wir stets die Klingen schwingen,
    denn Ehre ist für uns das Höchste!
     
    Von den Himmeln und den eisbedeckten Türmen
    zu der Dämonen Unterschlupf hinab
    schleudern wir die grellen Blitze
    und bringen jedem Feind den Tod.
     
    Als Wächterinnen Westwind zu beschützen
    ist in Eis und Sommerhitze unsre Pflicht
    Die Schwerter allzeit blank gezogen,
    denn Ehre ist für uns das Höchste …
     
    Als Ayrlyn die kleine Lutar absetzte, lächelte Ryba. Für einen Moment war es im Saal ganz still. Dann begann Cessya zu applaudieren.
    »Nein, nicht klatschen. Es ist unser Lied und wir müssen mitsingen. Noch einmal, Ayrlyn.«
    Die rothaarige Heilerin und Sängerin verneigte sich und schlug die Lutar an. Mit silberheller Stimme sang sie das Lied noch einmal.
    Bei den letzten Worten, »denn Ehre ist für uns das Höchste«, stimmten alle Marineinfanteristinnen, die dank des Liedes und Rybas Erklärung zu den Wächterinnen von Westwind geworden waren, in das Lied ein.
    Nylan hätte beinahe die Stirn gerunzelt. Hatte Ryba schon einmal das Wort ›Wächterin‹ gebraucht? Vermischte sich da etwas, das sie nur gedacht, aber nicht gesagt hatte, mit ihren Träumen und den Dingen, von denen sie wünschte, sie hätte sie gesagt?
    Relyn sah Narliat an und die beiden Männer runzelten die Stirn.
    »Ihr schaut so finster drein, junger Relyn. Zweifelt Ihr an unseren Fähigkeiten, mit Waffen umzugehen? An meinen Fähigkeiten?«, fragte die Marschallin.
    »Keineswegs, Erhabene.«
    »Ein einfaches ›Ser‹ reicht mir auch, danke. Mir genügt der Ehrentitel, den man würdigen Kriegerinnen gibt.« Ryba wandte sich von den beiden Männern ab. »Ein schönes Lied, Ayrlyn, sehr schön gesungen.«
    Ayrlyn verneigte sich und ging zu den Schatten hinüber, wo die Treppe war.
    Relyn starrte Rybas blasses, unbewegtes Gesicht an und wandte sich flüsternd an Narliat. »Sie ist doch tatsächlich noch gefährlicher als Fürst Sillek.«
    Erheblich gefährlicher, dachte Nylan bei sich, denn Ryba hatte eine Vision und diese Vision konnte den ganzen Planeten verändern – und noch mehr. Sillek und die anderen hatten keine Ahnung, gegen wen sie sich stellten.
    Die Vernunft wollte diesem Gefühl widersprechen. Die Vernunft sagte ihm, dass nicht einmal mehr zwanzig Marineinfanteristinnen und ein Ingenieur nicht den Lauf der Welt verändern konnten. Aber immer wenn er an die Worte in Ayrlyns Lied dachte, hatte er das Gefühl,

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