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Sturz Der Engel

Titel: Sturz Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Regen fällt auf Lornth, schwere Schauer prasseln auf die roten Ziegeldächer der Stadt nieder. Sillek steht hinter einem Bleiglasfenster und blickt nach Süden zum Fluss, aber er sieht weder die Dächer noch den Fluss.
    »Sillek, hörst du mir nicht zu?«
    Er dreht sich zum Erker um, wo seine Mutter, die Fürstin Ellindyja, den weißen Stoff auf dem hölzernen Rahmen zurechtrückt und den zweiten Reifen darüber streift, um den Stoff zu straffen. Ein goldener Faden hängt in der Nadel, die sie in der rechten Hand hält.
    »Meine liebe Mutter, ich fürchte, ich war abgelenkt.«
    »Abgelenkt? Der Herr von Lornth kann sich keine Ablenkungen erlauben, weder geistige noch andere, und ganz gewiss keine Ablenkungen in Gestalt dieser … der Dame Kirandya.« Ellindyja knotet das Ende des Fadens mit Bewegungen fest, die für die weißen, pummeligen Finger viel zu präzise scheinen.
    »Wohl nicht.« Silleks Antwort klingt unwirsch. Er setzt sich auf einen Holzstuhl mit gerader Lehne gegenüber der Bank im Erker. »Was hast du gesagt?«
    »Ser Gethen – vielleicht erinnerst du dich an ihn, Sillek. Er hat mehr als zehn Züge Bewaffnete und besitzt das gesamte Land nördlich von Carpa, sogar ein Weinberg gehört zu seinen Ländereien. Ich glaube, er hat mehrere Töchter, die ungefähr in deinem Alter sind, und die Mittlere soll eine wahre Schönheit sein.«
    »Ich nehme an, du hast gerade nicht wirklich über seine Töchter gesprochen.«
    »Äh … nein.« Der goldene Faden formt auf dem Leinenstoff die Ecke eines Diadems, dann hält die Nadel inne. »Ser Gethen hatte auch einen Sohn, Relyn oder Ronwin oder so ähnlich. Er hat von deinem Angebot gehört, demjenigen, der es schafft, die Hexen aus den Bergen zu vertreiben, Land zu übereignen und einen kleinen Adelstitel zu verleihen.«
    »Wenn ich mich recht entsinne, war das deine Idee«, wirft Sillek ein, »und es war eine gute Idee.«
    »Der junge Bursche hat sein ganzes Vermögen genommen, ein paar Bewaffnete rekrutiert und die Hexen angegriffen. Er hatte einen Zug und zehn Männer, alle gut bewaffnet. Ein halbes Dutzend ist zurückgekehrt.«
    »Ich habe erst heute Morgen von seiner Heldentat gehört. Bitte, sage mir, wie hast du davon erfahren?«
    »Die Mutter des Jungen, Erenthla … sie und ich standen uns einst sehr nahe. Sie hat einen Boten geschickt. Aber das spielt jetzt keine Rolle, Sillek. Du kannst doch nicht erwarten, dass ich mich hier einsperren lasse wie im Kloster. Wichtig ist jetzt nur, dass Ser Gethen alles andere als erfreut ist. Erenthla – sie ist die Herrin von Gethenhain – hat mir dies übermitteln lassen. In unmissverständlichen Worten.« Ellindyjas Nadel fährt durch den Stoff und setzt eine weitere Ecke an das Diadem. »Sie gab mir zu verstehen, dass ihr Herr seine Ehre verloren hat, was letztlich damit zu tun hätte, dass du nicht in der Lage wärst, das große Erbe, das man dir hinterlassen hat, angemessen zu schützen.«
    »Warum sollte ich mir noch weiter Gedanken darüber machen, da du ohnehin entschlossen scheinst, es mir anzuhängen? Dem jungen Burschen waren die Gefahren bewusst. Jeder Angriff ist mit Risiken verbunden. Und er war ein Hitzkopf, wenn ich mich recht erinnere. Einer von der Sorte, die glaubt, man könnte im Kampf Ehre erwerben.« Sillek steht auf und runzelt die Stirn. »Er wurde also getötet?«
    »Viel schlimmer. Er wurde gefangen genommen. Es ist ausgesprochen demütigend, von Frauen – selbst wenn sie Engel sind – gefangen genommen zu werden. Besonders demütigend ist es natürlich für seinen Vater. Erenthla war offenbar ganz außer sich. Ich glaube, das brauche ich nicht eigens zu betonen. Natürlich war Ser Gethen gezwungen, ihn zu enterben, aber er war der zweite in der Erbfolge und danach kommen nur noch Töchter.«
    »Ah … jetzt wird die Sache allmählich klar. Ich soll um die Hand einer dieser Töchter anhalten, um Ser Gethen zu beschwichtigen …« Sillek tritt wieder ans Fenster und starrt in den schweren Regen hinaus. Er presst die Lippen zusammen und verknotet die Finger.
    »Das habe ich nicht vorgeschlagen. Es wäre keine schlechte Idee, aber ich sprach von der Ehre. Von unserer Ehre, die durch dein Versagen besudelt wurde. Jetzt hat es auch Ser Gethen getroffen. Die Ehre, die anzunehmen und der gerecht zu werden du dich so beharrlich gesträubt hast. Die Ehre, die du Belangen unterordnest, die einem erbärmlichen Krämer besser zu Gesicht stehen würden. Mein Sohn sollte sich nicht wie ein Krämer

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