Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
haben wir schon zu verlieren?« Sie stellten sich an, um ein nummeriertes Metallplättchen in eine Kiste zu werfen und sich auf diese Weise für die Schicht anzumelden. »Hauptsache, wir müssen nicht den Kopf hinhalten.«
    Isaak war nicht so recht überzeugt. »Ich wünschte, ich könnte mir sicher sein.«
    Sie gingen zur Radfertigung. Grigori schob seine Sorgen beiseite und bereitete sich auf die Arbeit vor. Die Putilow-Werke produzierten mehr Züge denn je, denn die Armee musste damit rechnen, Lokomotiven und Waggons durch feindlichen Beschuss zu verlieren, sodass ständig Ersatz benötigt würde. Entsprechend groß war der Druck auf Grigori und seine Kollegen, mehr Räder zu produzieren.
    Als Grigori die Fertigungshalle betrat, krempelte er die Ärmel hoch. Es war eine kleine Halle, und dank des Stahlofens war es hier auch im Winter warm; im Sommer jedoch war die Hitze schier unerträglich. Metall kreischte und klirrte, als es auf den Drehbänken geformt und poliert wurde.
    Grigori sah Konstantin an der Drehmaschine stehen und stutzte. Irgendetwas stimmte da nicht. Konstantins Körperhaltung war angespannt, und sein Gesichtsausdruck war eine einzige Warnung. Isaak sah es ebenfalls. Er packte Grigori am Arm und sagte: »Was hat das zu bedeu…«
    Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden.
    Eine Gestalt in schwarz-grüner Uniform sprang hinter dem Stahlofen hervor und schlug mit einem Holzhammer nach Grigori. Es war Grigoris eigenes Werkzeug, mit dem er Muster in den Formsand klopfte.
    Grigori versuchte, dem Hieb auszuweichen, reagierte aber zu langsam. Obwohl er sich duckte, traf ihn der Hammerkopf an der Wange und schleuderte ihn zu Boden. Ein furchtbarer Schmerz schoss durch seinen Kopf. Er schrie laut auf. Es dauerte Sekunden, bis er wieder sehen konnte. Mühsam hob er den Blick und sah die stämmige Gestalt von Michail Pinsky, dem Reviervorsteher. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Isaak von Pinskys Gehilfen, Ilja Koslow, und zwei anderen Polizisten überwältigt wurde.
    Grigori stöhnte auf. Er hätte damit rechnen müssen. Nach der Auseinandersetzung im Februar war er viel zu billig davongekommen. Polizisten vergaßen so etwas nie.
    Grigori blieb am Boden liegen. Er würde keinen Widerstand leisten, wenn es sich vermeiden ließ. Sollte Pinsky seine Rache haben. Vielleicht gab er dann Ruhe.
    Doch schon eine Sekunde später war der gute Vorsatz vergessen.
    Pinsky hob den Vorschlaghammer und schlug erneut zu. Grigori warf sich nach rechts, doch Pinsky passte seinen Schlag an, und das schwere Eichenholzwerkzeug traf Grigori an der linken Schulter. Er brüllte vor Schmerz und Wut. Während Pinsky versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, sprang Grigori auf. Sein linker Arm war taub und schlaff, doch der rechte Arm gehorchte ihm noch. Grigori ballte die Faust, um sie Pinsky ins Gesicht zu schmettern.
    Er führte den Schlag nie aus. Zwei Gestalten in schwarz-grünen Uniformen, die er bis jetzt nicht bemerkt hatte, erschienen wie Schatten neben ihm, packten seine Arme und hielten ihn fest. Vergebens versuchte Grigori, die Angreifer abzuschütteln. Durch einen Nebel aus Wut und Schmerz sah er, wie Pinsky erneut den Hammer hob und zuschlug. Der Schlag traf Grigori an der Brust. Er spürte, wie mehrere Rippen brachen. Der nächste Schlag war tiefer angesetzt und traf die Magengrube. Grigori verkrampfte sich und erbrach würgend sein Frühstück. Dann traf ein weiterer Schlag seinen Kopf, und für Sekunden wurde ihm schwarz vor Augen. Als er wieder sehen konnte, hing er schlaff im Griff der beiden Polizisten. Auch Isaak wurde von zwei Mann festgehalten.
    »Hast du dich endlich beruhigt?«, fragte Pinsky.
    Grigori spuckte Blut. Sein Körper war ein einziger Schmerz, und er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was war hier los? Pinsky hasste ihn, aber das allein konnte nicht der Grund für den brutalen Angriff sein. Hinzu kam, dass es für Pinsky nicht ganz ungefährlich war, in der Fabrik auf Grigori und Isaak loszugehen, inmitten von Arbeitern, die man nicht gerade als Freunde der Polizei bezeichnen konnte. Aus irgendeinem Grund musste Pinsky sich seiner Sache ziemlich sicher sein.
    Pinsky packte den Vorschlaghammer und schien zu überlegen, ob er noch einmal zuzuschlagen sollte. Grigori verkrampfte sich in Erwartung der Schmerzen. Er hatte alle Mühe, nicht um Gnade zu winseln.
    Dann, unvermittelt, fragte Pinsky: »Wie heißt du?«
    Grigori versuchte zu sprechen, brachte aber nichts hervor außer einem Schwall Blut.

Weitere Kostenlose Bücher