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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dass sie Gewehrmunition in Pappkartons packte. Aber wenn ihr Kind erst geboren war, konnte Katherina eine Zeit lang nicht mehr arbeiten. Wie sollte sie ohne Grigori für sich selbst und das Kind sorgen? Sie würde verzweifelt sein – und Grigori wusste, was viele Mädchen vom Lande in Sankt Petersburg taten, wenn sie verzweifelt waren. Möge Gott verhüten, dass sie ihren Körper auf der Straße verkaufen musste.
    Einen Hoffnungsschimmer gab es: Grigori würde nicht gleich am ersten Tag eingezogen, nicht einmal in der ersten Woche. Den Zeitungen zufolge waren in den letzten Julitagen zweieinhalb Millionen Reservisten einberufen worden – aber das waren eben nur Zeitungsberichte. Es war unmöglich, so viele Männer in so wenigen Tagen zusammenzuziehen, einzukleiden und mit Zügen an die Front zu verfrachten. Das war nicht einmal in einem Monat zu schaffen. Deshalb wurden die Soldaten schubweise einberufen, einige früher, andere später.
    Die ersten heißen Augusttage verstrichen, und Grigori glaubte schon, man hätte ihn vergessen. Es war ein verführerischer Gedanke und durchaus nicht abwegig: Selbst für russische Verhältnisse – was Ordnung und Verwaltung anging, war das Zarenreich ein Chaos – war die Armee in einem desolaten Zustand. Vermutlich würde man Tausende von Männern, die eigentlich hätten eingezogen werden müssen, schlichtweg übersehen.
    Katherina hatte sich angewöhnt, morgens früh in Grigoris Zimmer zu kommen, wenn er Frühstück machte. Das war der Höhepunkt des Tages. Grigori war dann bereits gewaschen und angezogen, während Katherina – verschlafen, gähnend und mit verführerisch zerzaustem Haar – noch immer das Hemd trug, in dem sie geschlafen hatte. Das Hemd wurde ihr allmählich zu klein, da sie immer mehr an Gewicht zulegte. Grigori schätzte, dass sie inzwischen im vierten Monat schwanger war. Ihre Brüste und die Hüften waren größer geworden, und ihr Bauch hatte sich leicht, aber erkennbar gewölbt. Ihre üppigen Formen waren einfach wunderbar. Es kostete Grigori Mühe, sie nicht immerzu anzustarren.
    Eines Tages kam Katherina ins Zimmer, als Grigori gerade zwei Hühnereier in eine Pfanne auf dem Herd schlug. Er gab sich nicht mehr mit Haferbrei zum Frühstück zufrieden; das ungeborene Kind seines Bruders brauchte gutes Essen, um stark und gesund zu werden, und meistens hatte Grigori irgendetwas Kräftiges, Nahrhaftes besorgt, das er mit Katherina teilen konnte: Schinken, Heringe oder ihre Lieblingswurst.
    Katherina war immer hungrig. Sie saß am Tisch, schnitt sich eine dicke Scheibe Schwarzbrot ab und schlang es hinunter. Mit vollem Mund fragte sie: »Wenn ein Soldat fällt, wer bekommt dann seinen ausstehenden Sold?«
    »In meinem Fall bekommt Lew das Geld«, antwortete Grigori, der Name und Adresse seines nächsten Verwandten angegeben hatte.
    »Ob er schon in Amerika ist?«
    »Bestimmt. Die Fahrt dauert doch keine acht Wochen.«
    »Ich hoffe, er hat eine Arbeit gefunden.«
    »Mach dir keine Sorgen, er kommt schon zurecht. Lew ist immer und überall beliebt.« Grigori verspürte einen Anflug von Wut auf seinen Bruder. Lew müsste jetzt eigentlich hier stehen! Lew müsste sich um Katherina und ihr ungeborenes Kind kümmern! Lew müsste sich wegen der Einberufung den Kopf zerbrechen! Stattdessen begann für ihn das neue Leben, auf das Grigori so lange gespart hatte. Und statt sich um den Mann zu sorgen, der bei ihr geblieben war, trauerte Katherina Lew hinterher, obwohl er sie im Stich gelassen hatte.
    »Ja, Lew geht es bestimmt gut in Amerika«, sagte Katherina. »Trotzdem würde ich mir einen Brief von ihm wünschen.«
    Grigori schabte Käse über die Eier und gab Salz hinzu. Traurig fragte er sich, ob sie je etwas aus Amerika hören würden. Lew war nie sonderlich sentimental gewesen; vielleicht hatte er beschlossen, seine Vergangenheit abzustreifen wie eine Schlange die alte Haut. Aber aus Rücksicht auf Katherina sprach Grigori diesen Gedanken nicht aus, denn sie hoffte immer noch, dass Lew sie zu sich holte.
    »Ob du wohl in den Krieg musst?«, fragte sie. »Was glaubst du?«
    »Nicht, wenn ich es verhindern kann. Wofür sollen wir denn kämpfen?«
    »Na, für Serbien.«
    Grigori verteilte die Eier mit einem Löffel auf zwei Teller und setzte sich an den Tisch. »Warum denn? Den Serben kann es egal sein, ob sie vom österreichischen Kaiser oder vom Zaren tyrannisiert werden.« Er machte sich über das Frühstück her. »Ich würde für dich kämpfen, für Lew,

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