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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wie?«
    »Er sitzt da drüben.«
    Fitz folgte Ginis Blick und sah einen Franzosen von ungefähr sechzig Jahren in Zivilkleidung, der mit einer jungen Frau in einem roten Kleid an einem Tisch saß.
    »Er ist sehr freundlich«, fügte Gini hinzu.
    »Du kennst ihn?«
    »Wir waren eine Zeit lang befreundet, aber er mochte Lizette lieber.«
    Fitz zögerte. Erneut widerstrebte es ihm, hinter dem Rücken seiner Vorgesetzten zu agieren. Doch für solche Rücksichtnahmen war jetzt nicht der richtige Moment. Paris stand auf dem Spiel. Er musste tun, was er konnte.
    »Stell mich ihm vor«, sagte er.
    »Warte einen Moment.« Gini glitt anmutig vom Barhocker und schwang die Hüften im Rhythmus des Klaviers, das Ragtime spielte, während sie den Club durchquerte, bis sie zum Tisch des Générals kam. Sie küsste ihn auf den Mund, lächelte seiner Begleiterin zu und setzte sich. Nach einem kurzen ernsten Gespräch winkte sie Fitz herbei.
    Lourceau erhob sich, und die beiden Männer schüttelten sich die Hände. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, mon général «, sagte Fitz.
    »Für ein ernsthaftes Gespräch ist hier nicht die richtige Umgebung«, erwiderte Lourceau, »aber Gini sagte, es sei sehr dringend, was Sie mir zu berichten haben.«
    »Das kann man wohl sagen«, erwiderte Fitz und nahm Platz.

    Am nächsten Morgen fuhr Fitz zum britischen Feldlager bei Melun, fünfundzwanzig Meilen südöstlich von Paris, und erfuhr zu seinem Entsetzen, dass sich das britische Expeditionskorps noch immer zurückzog.
    Vielleicht war seine Nachricht nicht zu Joffre durchgedrungen. Oder Joffre hatte sie erhalten, war aber der Ansicht, nichts unternehmen zu können.
    Fitz betrat Vaux-le-Penil, das prachtvolle Schloss aus der Zeit Ludwig XV ., das Sir John French als Hauptquartier diente. In der Eingangshalle traf er auf Colonel Hervey. »Darf ich fragen, Sir, warum wir uns zurückziehen, wenn unsere Verbündeten einen Gegenangriff starten?«, erkundigte er sich, so höflich er konnte.
    »Nein, das dürfen Sie nicht«, erwiderte Hervey.
    Fitz unterdrückte seinen Zorn und ließ nicht locker. »Die Franzosen vermuten, sie und die Deutschen sind gleich stark. Deshalb könnte unser Expeditionskorps, so klein es auch ist, den Ausschlag geben.«
    Hervey lachte höhnisch. »Ach ja, glauben die Franzosen das? Das kann ich mir vorstellen!« Er klang, als hätte Frankreich kein Recht, die Hilfe seines Verbündeten zu beanspruchen.
    Fitz spürte, wie ihm die Selbstbeherrschung entglitt. »Paris könnte verloren gehen, weil wir Angst haben.«
    »Hüten Sie Ihre Zunge, Major!«
    »Wir wurden hierhergeschickt, um Paris zu retten, Sir. Das könnte die Entscheidungsschlacht sein.« Gegen seinen Willen hob Fitz die Stimme. »Wenn Paris verloren geht und Frankreich gleich mit, wie sollen wir dann in der Heimat erklären, dass wir uns im entscheidenden Moment ausgeruht haben?«
    Statt eine Antwort zu geben, starrte Hervey über Fitz’ Schulter hinweg. Als Fitz sich umdrehte, sah er eine massige Gestalt in französischer Generalsuniform, die sich schwerfällig voranbewegte. Die schwarze Jacke war über dem gewölbten Bauch aufgeknöpft, die rote Hose saß schlecht, und die rot-goldene Mütze war tief in die Stirn gezogen. Farblose Augen unter grau melierten Brauen musterten Fitz und Hervey. Fitz erkannte Général Joffre.
    Als der französische Oberkommandierende und seine Entourage an ihnen vorbei waren, fragte Hervey: »Sind Sie dafür verantwortlich?«
    Fitz, zu stolz zum Lügen, antwortete: »Möglich.«
    »Darüber reden wir noch.« Hervey kehrte Fitz den Rücken zu und eilte Joffre hinterher.
    Sir John French empfing Joffre in einem kleinen Raum, in dem nur wenige Offiziere zugegen waren. Fitz gehörte nicht dazu; er wartete im Offizierskasino. Die ganze Zeit fragte er sich, was Joffre sagen würde und ob er Sir John überzeugen konnte, den schmachvollen britischen Rückzug abzubrechen und am Gegenangriff teilzunehmen.
    Die Antwort bekam er zwei Stunden später von Lieutenant Murray. »Joffre hat alles versucht«, berichtete der Lieutenant. »Er hat gebettelt, er hat geweint und angedeutet, die britische Ehre könne für immer besudelt werden. Es hat gewirkt. Morgen schwenken wir nach Norden.«
    Fitz grinste breit. »Halleluja!«
    Es dauerte keine Minute, und Colonel Hervey kam herein. Fitz erhob sich aus Höflichkeit.
    »Sie sind zu weit gegangen, Major«, sagte Hervey. »Général Lourceau hat mir erzählt, was Sie getan haben. Er war wohl in dem

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