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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Stab sich daran, die Befehle niederzuschreiben.
    »Mon général« , sagte Colonel Dupuys, »wir haben nicht genug Züge, um alle bis heute Abend dorthin zu bringen.«
    »Dann nehmen Sie Automobile«, entgegnete Galliéni.
    »Automobile?« Dupuys sah ihn verblüfft an. »Wo sollen wir so viele Automobile hernehmen?«
    »Mieten Sie Taxis!«
    Alle im Raum starrten ihn an. Hatte der Général den Verstand verloren?
    »Rufen Sie den Polizeipräfekten an«, befahl Galliéni. »Sagen Sie ihm, er soll seinen Männern befehlen, jedes Taxi in der Stadt anzuhalten, die Fahrgäste hinauszuwerfen und die Wagen hierherzuschicken. Wir stopfen sie mit Soldaten voll und schicken sie aufs Schlachtfeld.«
    Fitz grinste, als ihm klar wurde, dass Galliéni es tatsächlich ernst meinte. Aber genau diese Haltung mochte er: Tun wir, was nötig ist – Hauptsache, wir siegen!
    Dupuys zuckte mit den Schultern und ging zu einem Telefon. »Holen Sie mir auf der Stelle den Polizeipräfekten an den Apparat«, befahl er.
    Das muss ich sehen, sagte sich Fitz.
    Er ging hinaus und zündete sich eine Zigarre an. Lange brauchte er nicht zu warten. Ein paar Minuten später kam ein rotes Renault-Taxi über den Pont Alexandre III , umfuhr den großen Rasen und parkte vor dem Hauptgebäude. Zwei weitere Wagen folgten, dann ein Dutzend, dann einhundert.
    Nach zwei Stunden standen mehrere Hundert gleich aussehende rote Taxis vor dem Hôtel des Invalides. Fitz hatte so etwas noch nie gesehen.
    Die Fahrer lehnten an ihren Wagen, rauchten Pfeife und unterhielten sich angeregt, während sie auf Anweisungen warteten. Jeder Fahrer hatte eine andere Theorie, weshalb man sie hier zusammengezogen hatte.
    Schließlich kam Dupuys aus der Schule und überquerte die Straße mit einem Sprechrohr in der einen und einem Stapel Requirierungsformulare des Heeres in der anderen Hand. Er stieg auf die Motorhaube eines Taxis, und die Fahrer verstummten.
    »Der Militärgouverneur von Paris benötigt fünfhundert Taxis für eine Fahrt von hier nach Blagny«, sagte er durch das Megafon.
    Die Fahrer starrten ihn in ungläubigem Schweigen an.
    »Jeder Wagen nimmt fünf Soldaten auf und fährt sie nach Nanteuil.«
    Nanteuil lag dreißig Meilen im Osten, dicht hinter der Front. Die Fahrer begriffen allmählich, sahen einander an und nickten grinsend. Fitz vermutete, dass sie sich freuten, zu den Kriegsanstrengungen beitragen zu können, besonders auf solch ungewöhnliche Weise.
    »Bitte nehmen Sie eines dieser Formulare, ehe Sie losfahren, und füllen Sie es aus. Damit können Sie nach Ihrer Rückkehr Ihre Bezahlung einfordern.«
    Stimmengewirr erhob sich. Sie wurden sogar bezahlt! Die Begeisterung der Fahrer wuchs noch mehr.
    »Sobald fünfhundert Wagen losgefahren sind, gebe ich Anweisungen an die nächsten fünfhundert. Vive Paris! Vive la France! «
    Die Fahrer brachen in lauten Jubel aus und drängten sich um Dupuys, um ein Formular zu bekommen. Fitz half eifrig, die Papiere zu verteilen.
    Bald setzten die kleinen Fahrzeuge sich in Bewegung, wendeten vor dem großen Gebäude und überquerten im Sonnenschein die Brücke, begeistert hupend – eine lange, hellrote Rettungsleine für die Streitkräfte an der Front.

    Das britische Expeditionskorps brauchte drei Tage, um fünfundzwanzig Meilen zu marschieren. Fitz konnte es nicht fassen. Drei Tage! Bei ihrem Vormarsch war das Expeditionskorps auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen: Hätte es sich schneller bewegt, hätte es vielleicht einen entscheidenden Schlag führen können.
    Doch am Morgen des 9. September, einem Mittwoch, fand Fitz den Stab Galliénis in optimistischer Stimmung vor. Von Kluck zog sich zurück. »Die Deutschen haben Angst!«, rief Colonel Dupuys.
    Fitz glaubte nicht, dass die Deutschen Angst hatten, zumal die Karte eine plausiblere Erklärung zeigte: Die Briten, so langsam und zögerlich sie auch voranmarschierten, waren in eine Lücke eingedrungen, die sich zwischen der 1. und 2. deutschen Armee geöffnet hatte und entstanden war, als von Kluck seine Verbände nach Westen gezogen hatte, um sich dem Angriff aus Richtung Paris entgegenzustellen. »Wir haben einen Schwachpunkt gefunden, und jetzt treiben wir einen Keil hinein«, sagte Fitz, und seine Stimme bebte vor hoffnungsvoller Erwartung.
    Die Deutschen hatten bislang jede Schlacht gewonnen. Auf der anderen Seite waren ihre Nachschubwege überdehnt, ihre Soldaten erschöpft und ihre Truppenstärke reduziert, weil die Verbände in Ostpreußen verstärkt

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