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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Tabakwaren, dafür Schokolade oder Bonbons. Fitz half, die Dosen bei Einheiten der Welsh Rifles zu verteilen. Am Abend, als es zu spät war, um in den relativen Komfort von St. Omer zurückzukehren, fand er sich im Gefechtsstand des 4. Bataillons wieder, einem feuchten Unterstand eine Viertelmeile hinter der Kampflinie. Dort las er eine Sherlock-Holmes-Geschichte und rauchte eine der kurzen, dünnen Zigarren, an die er sich gewöhnt hatte. Sie waren längst nicht so gut wie seine Panatelas, doch wann fand er schon einmal genügend Zeit, um eine lange Zigarre zu rauchen. Bei ihm war Murray, den man nach der Ypernschlacht zum Captain befördert hatte. Fitz war weiterhin Major: Hervey hielt sein Versprechen.
    Bald nach Anbruch der Dunkelheit hörte Fitz zu seinem Erstaunen vereinzeltes Gewehrfeuer. Wie sich herausstellte, hatten die Männer Lichter gesehen und angenommen, der Feind versuche einen Überraschungsangriff. Tatsächlich handelte es sich bei den Lichtern um bunte Laternen, mit denen die Deutschen ihre Schulterwehren schmückten.
    Murray, der eine Zeit lang in der vordersten Linie gewesen war, sprach von den indischen Einheiten, die den benachbarten Abschnitt verteidigten. »Die armen Kerle sind in Sommeruniform erschienen, weil ihnen jemand gesagt hat, der Krieg wäre vorüber, ehe es kalt wird«, sagte er. »Aber ich möchte Ihnen etwas sagen, Fitz: Not macht sogar farbige Muschkoten erfinderisch. Können Sie sich erinnern, wie wir das Kriegsministerium gebeten haben, uns Minenwerfer zu geben, wie die Deutschen sie haben? Diese Dinger, die eine Granate über die Schulterwehren schleudern? Nun, die Inder haben sich aus alten gusseisernen Rohrstücken selbst welche gebaut. Sieht aus wie ein verstopfter Abfluss in einem Kneipenlokus, funktioniert aber!«
    Am Morgen lag ein eiskalter Nebel über den Stellungen, und der Boden war hart gefroren. Beim ersten Licht begannen Fitz und Murray die Geschenke der Prinzessin zu verteilen. Einige Männer drängten sich um Kohlenfeuer, erklärten aber, dankbar für den Frost zu sein, der immer noch besser sei als der Schlamm, besonders für alle, die an Fußbrand litten. Ein paar Männer unterhielten sich im walisischen Dialekt, bemerkte Fitz, doch einem Offizier gegenüber sprachen sie stets Englisch.
    Die deutsche Linie in vierhundert Metern Abstand lag unter einem Morgennebel verborgen, der die gleiche Farbe besaß wie die deutschen Uniformen, ein verblasstes Grün, das Feldgrau genannt wurde. Fitz hörte leise Musik: Die Deutschen sangen Weihnachtslieder. Er kannte sich nicht besonders aus, vermeinte aber, »Stille Nacht« zu erkennen, das längst auch ins Englische übersetzt worden war.
    Er kehrte zu den anderen Offizieren in den Unterstand zurück, wo sie ein karges Frühstück aus altbackenem Brot und Büchsenfleisch zu sich nahmen. Danach trat er ins Freie, um zu rauchen. In seinem ganzen Leben hatte er sich noch nie so erbärmlich gefühlt. Er dachte an das Frühstück, das jetzt auf Ty Gwyn serviert wurde: heiße Würstchen, frische Eier, gefüllte Nieren, geräucherter Bückling, Buttertoast und köstlich duftender Kaffee mit Sahne. Er sehnte sich nach sauberer Unterwäsche, einem gebügelten weißen Hemd und einem weichen Wollanzug. Er wollte am lodernden Kaminfeuer im Morgensalon sitzen und nichts Besseres zu tun haben, als die banalen Witze im Punch zu lesen.
    Murray kam aus dem Unterstand. »Sie werden am Telefon verlangt, Major«, sagte er. »Das Hauptquartier.«
    Fitz war überrascht. Jemand hatte sich große Mühe gemacht, ihn zu finden. Er hoffte, dass es nicht um irgendeine neue Streitigkeit ging, die zwischen Franzosen und Briten aufgeflammt war, während er den Weihnachtsmann gespielt hatte. Die Stirn sorgenvoll gerunzelt, duckte er sich in den Eingang und nahm den Hörer des Feldtelefons. »Fitzherbert.«
    »Guten Morgen, Major«, hörte er eine Stimme, die er nicht kannte. »Hier Captain Davies. Sie kennen mich nicht, aber ich wurde gebeten, Ihnen eine Nachricht aus der Heimat auszurichten.«
    Von zu Hause? Fitz hoffte, dass es keine schlechten Neuigkeiten waren. »Sehr freundlich von Ihnen, Captain«, sagte er. »Wie lautet die Nachricht?«
    »Ihre Frau hat einem gesunden Jungen das Leben geschenkt, Sir. Mutter und Sohn geht es gut.«
    »Oh!« Fitz musste sich unvermittelt auf eine Kiste setzen. Das Kind hätte noch gar nicht kommen sollen – es war eine oder zwei Wochen zu früh. Waren Frühgeburten nicht immer kränklich? Aber er hatte gehört,

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