Sturz der Titanen
geküsst und ihn gebeten, sie ebenfalls an den intimsten Stellen zu küssen. Sie hatte ihm gezeigt, wie er es tun musste, und in Ekstase aufgeschrien. Am Ende hatte sie aus der Nachttischschublade ein Kondom genommen. Billy hatte noch nie eines gesehen, obwohl die Jungs davon gesprochen hatten; »Pariser« oder »Mündungsschoner« nannten sie die Dinger. Mildred hatte es ihm übergestreift, und selbst das war erregend gewesen.
Heute erschien Billy die Nacht mit Mildred wie ein Tagtraum. Immer wieder musste er sich ins Gedächtnis rufen, dass dies alles wirklich geschehen war. Seine Erziehung hatte Billy in keiner Weise auf Mildreds unbeschwerte, lustvolle Einstellung zum Sex vorbereitet; es war für ihn wie eine Offenbarung gewesen. Seine Eltern und die meisten Leute in Aberowen hätten Mildred als »unanständige Frau« bezeichnet – zwei Kinder und keine Spur von einem Ehemann. Billy war es egal, und wenn Mildred sechs Kinder gehabt hätte. Sie hatte ihm das Tor zum Paradies aufgestoßen, und er sehnte sich danach, es noch einmal zu durchschreiten. Mehr als alles andere wollte er den heutigen Tag überleben, damit er Mildred wiedersah und noch eine Nacht mit ihr verbringen konnte.
Als die Pals vorrückten und sich den vordersten Graben näherten, bemerkte Billy, dass er schwitzte.
Owen Bevin brach in Tränen aus. Billy sagte schroff: »Reiß dich zusammen, Private Bevin. Flennen hilft jetzt auch nichts.«
Owen schluchzte: »Ich will nach Hause.«
»Ich auch, Junge, ich auch.«
»Bitte, Corporal, ich hätt nie gedacht, dass es so sein würde.«
»Wie alt bist du überhaupt?«
»Sechzehn.«
»Teufel noch mal«, sagte Billy. »Wie hat man dich denn angeworben?«
»Ich hab dem Doktor gesagt, wie alt ich bin, und er sagte: ›Geh und komm morgen früh wieder. Du bist groß für dein Alter, vielleicht bist du morgen achtzehn.‹ Dann zwinkerte er mir zu, und da hab ich gewusst, dass ich lügen muss.«
»So ein Hundesohn«, schimpfte Billy und musterte Owen. Der Junge war auf dem Schlachtfeld vollkommen nutzlos. Er zitterte am ganzen Körper.
Billy wandte sich an Lieutenant Carlton-Smith. »Sir, Bevin ist erst sechzehn, Sir.«
»Was? Mein Gott!«, sagte der Zugführer.
»Er sollte nach hinten geschickt werden. Er ist ’ne Gefahr für uns alle.«
»Ich weiß nicht …« Carlton-Smith wirkte unschlüssig, beinahe hilflos.
Billy war sicher, dass Prophet Jones irgendetwas eingefallen wäre. Prophet dachte voraus und versuchte immer, Problemen vorzubeugen. Carlton-Smith hingegen schien nicht zu wissen, was er tat; dabei war er Offizier und Zugführer.
Nach kurzem Nachdenken ging Carlton-Smith zu Fitzherbert und redete leise mit ihm. Der Major schüttelte ablehnend den Kopf, und Carlton-Smith zuckte hilflos mit den Schultern.
Billys Erziehung erlaubte es ihm nicht, eine Grausamkeit einfach durchgehen zu lassen. »Der Junge ist erst sechzehn, Sir!«
»Das hätte er früher sagen sollen«, erwiderte Fitzherbert. »Und Sie reden nicht, ehe Sie angesprochen werden, Corporal!«
Billy wusste, dass Fitzherbert ihn nicht erkannte. Schließlich war er nur einer von Hunderten Männern gewesen, die in den Kohleminen des Earls geschuftet hatten. Fitzherbert hatte keine Ahnung, dass er Ethels Bruder vor sich hatte. Dennoch ärgerte Billy sich über die beiläufige Ablehnung. »Das ist gegen das Gesetz«, sagte er halsstarrig. Unter anderen Umständen wäre Fitzherbert der Erste gewesen, der über Respekt vor dem Gesetz salbaderte.
»Das zu beurteilen liegt bei mir«, entgegnete Fitzherbert gereizt. »Deshalb bin ich hier der Offizier.«
Billy kochte innerlich. Fitzherbert und Carlton-Smith funkelten ihn in ihren maßgeschneiderten Uniformen an, während er in seinem armseligen, kratzigen Khaki vor ihnen stand. Offenbar glaubten die beiden, ihnen wäre alles erlaubt.
Prophet ergriff das Wort. »Wie ich sehe, haben Sie heute Morgen Ihren Gehstock vergessen, Major Fitzherbert. Soll ich Bevin zum Bataillon zurückschicken, damit er ihn für Sie holt?«
Das war ein Kompromiss, der es jedem erlaubte, das Gesicht zu wahren. Gut gemacht, Prophet, dachte Billy.
Doch Fitzherbert ging nicht darauf ein. »Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte er.
Plötzlich rannte Bevin los. Er drängte sich durch die Männer hinter ihnen und war im nächsten Moment verschwunden. Seine Flucht war so überstürzt, dass ein paar Männer lachten.
»Der kommt nicht weit«, sagte Fitzherbert. »Und wenn man ihn erwischt, wird es nicht sehr
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