Sturz der Titanen
Granattrichter und durchquerten die Lücken im britischen Stacheldrahtverhau. Wie befohlen schlossen sie dann wieder die Reihen und marschierten Schulter an Schulter durch das Niemandsland.
Als sie es zur Hälfte hinter sich gelassen hatten, eröffneten die deutschen Maschinengewehrschützen das Feuer.
Fitz sah die Männer fallen, eine Sekunde ehe seine Ohren das vertraute Rattern der Maxims vernahmen. Einer brach zusammen, dann ein Dutzend, dann zwanzig.
»O Gott!«, rief Fitz, während die Männer fielen, fünfzig, hundert, immer mehr. Fassungslos starrte er auf das Blutbad. Einige Männer warfen die Arme hoch, wenn sie getroffen wurden; andere schrien oder zuckten; wieder andere erschlafften und kippten um wie Mehlsäcke.
Es übertraf Fitz’ schrecklichste Befürchtungen. Es war noch viel schlimmer, als der pessimistische Gwyn Evans vorhergesagt hatte. Kein einziger Mann erreichte den deutschen Stacheldraht.
Wieder schrillte die Pfeife, und die zweite Angriffsreihe rückte vor.
Private Robin Mortimer war wütend. »Das ist Irrsinn«, stieß er hervor, als sie das Rattern der Maschinengewehre hörten. »Wir hätten im Dunkeln rübergehen sollen. Man kann das Niemandsland nicht bei strahlendem Sonnenschein durchqueren. Die schießen ja nicht mal einen Nebelvorhang! Das ist Selbstmord, verdammte Scheiße!«
Die Männer im Bereitschaftsgraben waren nervös. Billy machte der Verfall der Moral unter den Aberowen Pals Sorgen. Auf dem Marsch von ihrem Quartier zur vordersten Linie hatten sie ihren ersten Artillerieschlag erlebt. Sie selbst hatten zwar keinen Volltreffer abbekommen, aber Bataillone vor und hinter ihnen waren massakriert worden. Und was beinahe noch schlimmer war: Die Männer waren an Reihen frisch ausgehobener Gruben vorbeigekommen, allesamt genau sechs Fuß tief, und hatten erkannt, dass es Massengräber waren, die auf die Gefallenen des heutigen Tages warteten.
»Der Wind steht heute ungünstig für Nebel«, sagte Prophet Jones. »Deshalb wird auch kein Gas eingesetzt.«
»Völliger Irrsinn«, brummte Mortimer.
George Barrow sagte unbekümmert: »Die da oben wissen schon, was sie tun. Die sind zum Befehlen erzogen. Überlasst es denen, sag ich euch.«
Das konnte Tommy Griffiths nicht durchgehen lassen. »Wie kannst du so was sagen, wo sie dich in eine Besserungsanstalt gesteckt haben?«
»Leute wie mich müssen sie in den Knast stecken«, erwiderte George unerschütterlich. »Sonst würde jeder klauen. Am Ende würde ich dann noch selber ausgeraubt!«
Alle lachten, nur der mürrische Mortimer nicht.
Major Fitzherbert kehrte mit grimmiger Miene und einem Krug Rum zurück. Lieutenant Carlton-Smith goss allen eine Ration in das Kochgeschirr, das sie ihm hinhielten. Billy trank ohne Genuss. Der hochprozentige Alkohol heiterte die Männer auf, aber nicht sehr lange.
Nur einmal in seinem bisherigen Leben hatte Billy sich so jämmerlich gefühlt: An seinem ersten Tag auf der Zeche, als Rhys Price ihn unter Tage allein gelassen hatte und seine Grubenlampe erloschen war. Damals hatte ihm eine Vision geholfen. Leider erschien der Herr Jesus nur Jungen mit fiebriger Fantasie, nicht nüchtern denkenden Männern. Heute war Billy auf sich allein gestellt.
Die schlimmste Prüfung war fast gekommen, war vielleicht nur noch Minuten entfernt. Würde er die Nerven behalten? Wenn er versagte, wenn er sich am Boden zusammenrollte, die Augen zusammengekniffen, oder in Tränen ausbrach, oder davonrannte, würde er die Scham für den Rest seines Lebens nicht mehr los. Lieber wollte er sterben. Aber sah er das auch noch so, wenn erst geschossen wurde?
Alle traten ein paar Schritte vor.
Billy zückte seine Brieftasche. Mildred hatte ihm ein Foto von sich geschenkt. Auf dem Bild trug sie Mantel und Hut, doch Billy hätte sie lieber so in Erinnerung behalten, wie er sie an dem Abend gesehen hatte, als er zu ihr ins Schlafzimmer gegangen war.
Was sie jetzt wohl tat? Es war Samstag. Wahrscheinlich saß sie in Mannie Litovs Tretmühle, nähte Uniformen zusammen und heiterte die anderen Frauen mit ihren anzüglichen Geschichten auf.
Mildred. Die ganze Zeit dachte Billy an sie. Ihre gemeinsame Nacht war eine Fortsetzung der Lektion im Küssen gewesen. Mildred hatte ihn davon abgehalten, die Dinge anzugehen wie ein Stürmer vor dem Tor; sie hatte ihm langsamere, spielerische Zärtlichkeiten beigebracht, die ungeheuer lustvoll gewesen waren, mehr, als Billy es sich je vorgestellt hätte. Sie hatte seinen Peter
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